
Jante, Hannover
Am 26. Mai 2016 in Deutschland | 3569 Aufrufe
Die spektakulärste Neueröffnung der Gastronomieszene in Hannover im vergangenen Jahr war sicher die des „Jante“. Tony Hohlfeld und Mona Schrader, beide zuvor im einzig besternten Restaurant der Region tätig, der „Ole Deele“ in Burgwedel, wagten den Sprung in die Selbständigkeit und scheinen damit bisher auf Erfolgskurs, denn seit Eröffnung im Sommer 2015 ist es vor allem an den Wochenenden nur mit langer Vorlaufzeit möglich, einen Tisch zu ergattern. Und auch an einem Donnerstag Abend ist das Restaurant ausgebucht.
Die Hannoveraner, seit den längst vergangenen Zeiten von Heinrich Stern und Helmut Ammann, vom roten Guide eher freundlich vernachlässigt, dürsten offenbar nach der Aussicht auf einen erneuten Stern für die Landeshauptstadt. Und die Voraussetzungen sind ja auch nicht schlecht. Hohlfeld hat in der „Ole Deele“ bewiesen, dass er nicht nur an der Seite von Andreas Tuffentsammer, sondern nach dessen Abgang auch alleine einen Stern erkochen kann und Mona Schrader bringt natürlich ihre Erfahrung aus dem „Aqua“ mit, die neben der langjährigen Zeit in Burgwedel ihre Reputation als kompetente Sommeliere und herzliche Gastgeberin geformt hat.
Nun also „Jante“. Die Homepage erklärt zu diesem eigentümlichen Namen etwas von einem Gesetz eines dänisch-norwegischen Schriftstellers und von Gleichheit. Bei Wikipedia ist etwas von einem Verhaltenskodex im skandinavischen Kulturraum, Begrenzung egoistischen Erfolgsstrebens und Erfolg des Kollektivs zu erfahren. Aha. Klar ist auf jeden Fall, dass es konzeptionell Richtung Norden geht und in der Tat wird dies sehr konsequent umgesetzt, von der holzbetonten Einrichtung, den Wasserkübeln unter den Tischen als Weinkühler, dem Anrichten auf Steinen, Hölzern, Gräten, Knochen und in Tonschüsseln. Auch dass die Köche die Gerichte selbst servieren und erklären passt ins Bild. Man will ganz offenkundig nah am Puls der Nordic Cuisine sein.
Es gibt zwei Menüs, benannt „Eifrig“ und „Besinnt“. Warum die so heißen, weiß ich nicht und kann auch in den Gerichten keinen Grund dafür finden. Aber egal. Es zählt, was auf dem Teller oder in der Schale ist.
Als ersten Snack bringt die Küche grünen Spargel, der mit Tupfen einer hollandaise-artigen Creme bestückt ist. Das sieht schön aus, ist nah an dem bekannten (und bewährten) Geschmacksbild und ein schöner Auftakt.
Der danach servierte Chip aus Sauerteig mit Lammfett und Johannisbeeren ist aufgrund seiner weichen Konsistenz hübsch anzuschauen, aber schwierig zu essen. Geschmacklich bleibt das noch auf der relativ unauffälligen Seite.
Das Menü startet dann mit Spargel, Schinken, Zitronenverbeine. Wie bei allen weiteren Gerichten erläutern die Köche ausführlich, was sich alles auf dem Teller findet und wie man das zubereitet hat. Da wird geröstet, fermentiert, dehydriert, geräuchert, abgeflämmt etc. etc. – kurzum, man kann es sich nicht merken, aber in allem ist der Anspruch erkennbar, dass hier viel Aufwand betrieben wird. Unterm Strich bleibt, dass der säuerlich frische Sud gut zum Spargel passt, die gerösteten Samen eine nette Textur geben und der Schinken kaum zu schmecken ist. Ich glaube, er sollte in der leicht geflämmten Creme sein, kann mich aber auch täuschen. Dazu gibt es à part ein sehr hübsch anzuschauendes Tartelette mit einer grünen Creme. Leider schmeckt das vor allem teigig und liefert keinen Mehrwert.
Ganz ausgezeichnet dann der angeräucherte Dorsch mit Tomaten in unterschiedlichen Konsistenzen. Das ist punktgenau gegart und insgesamt sehr süffig mit einer spannenden, fein eingesetzten Räuchernote. Klasse!
Im folgenden vegetarischen Gang wählen wir die Gerichte aus beiden Menüs.
Während „Eifrig“ einen Riesenchampignon mit Parmesan und Kopfsalat variiert, wird im „Besinnt“-Menü Rhabarber mit Nussbutter sous-vide gegart und anschließend mit Weizensprossen und einer Erbsenmilch serviert, dazu einen Steambun mit allerlei grünem. Wenngleich ich die Kombination aus Rhabarber mit Erbse spannend finde, überzeugt mich der Champignon mehr. Hier wird es erdiger und insgesamt wirkt das Gericht harmonischer.
Persönlich hätte ich es eher auf einem hellen Geschirr angerichtet, denn schwarze Tupfen auf schwarzem Untergrund wirken einfach nicht. Aber das nur als kleine kosmetische Anmerkung.
Garnele, Lardo, Brioche, Eigelb ist dann der nächste Gang betitelt und wirkt wieder sehr harmonisch. Der Lardo ist meines Erachtens zwar keiner, sondern ein dünn aufgeschnittener Parma-ähnlicher Rohschinken, aber das passt trotzdem sehr gut zur Garnele. Das Brioche ist angeröstet, mir ein wenig zu fest und zu massig, aber zusammen mit dem angegossenen Sud, dem Eigelb und dem Frischkäse, changiert das von cremig zu säuerlich bis frisch und gibt ein rundes Bild.

Beim Hauptgang trennen sich unsere Wege erneut. Auf der anderen Tischseite wird ein ordentliches Stück Rind mit Mais in unterschiedlichen Texturen und Bärlauch kombiniert, wobei mir vor allem, im Gegensatz zu meinem Gegenüber, die gefriergetrockneten Elemente ausgesprochen gut gefallen.
Mir hat die Küche entgegen der ersten Information bei der Bestellung doch noch den Wechsel auf die Taube möglich gemacht – deutlicher Pluspunkt für den Service!
Das Fleisch ist auch ausgezeichnet gebraten, der separate Dumpling mit dem Keulenfleisch gefällt mir auch, aber ansonsten passiert mir auf dem Teller entschieden zu viel. Da konkurriert ordentliche Säure in Form von Würfeln aus Limette mit einer klassischen Jus, einer kräuterigen Creme, einem weiteren Gemüse und on top einem Wildkräutersalat, bei dem vor allem der Koriander arg dominierend wirkt. Das ist mir zu viel Zirkus, lenkt mich vom an sich guten Hauptdarsteller ab und lässt das Gericht ins Unharmonische abgleiten. Hier könnte Reduktion Wunder bewirken.
Nach einer kleinen Erfrischung in Form eines Sorbets aus Petersilienwurzel mit Vogelmiere und Birne, das eher einen herben Übergang zum süßen Teil darstellt, bleibt es auf der anderen Tischseite auch eher erdig mit einer Kombination aus Malz, Sellerie und Sauerampfer. Das sind halt die Desserts der neueren Generation, die Gemüse und Kräuter in einen nicht zu süßen Kontext einbauen wollen. Das verspricht zumindest ein ungewohntes Geschmacksbild, bedient aber selten die Erwartungshaltung an einen klassischen süßen Abschluss. Mich überzeugt das Gericht an diesem Abend nicht – meinem Mann gefällt’s.
Ich kann aber nicht meckern, habe ja schließlich nur genascht. In meiner Glaskugel geht es mit Melone, Kokos und Curry deutlich erfrischender zu und das ist auch eher wieder mein Geschmack. Ich bin zufrieden.

Zum Abschluss beamt die Küche einen mit zwei originellen Petit Fours doch noch in den richtigen Süßspeisenhimmel.
Was bleibt als Fazit? Tony Hohlfeld verfolgt im „Jante“ einen Stil, der sich deutlich an den derzeit sehr angesagten Konzepten der Nordic Cuisine mit starkem regionalen Einschlag orientiert. Vieles wirkt auf mich bemüht kreativ und mitunter überladen. Am stärksten finde ich die Küche immer dann, wenn der Fokus klar erkennbar ist und der Protagonist wirken kann, wie zum Beispiel beim Dorsch oder dem Champignon.
Vielleicht ist es ja der deutlich erkennbare Ehrgeiz, hier unbedingt einen Stern erkochen zu wollen, der so bei mir zu einem etwas indifferenten Eindruck führt.
Der Service ist herzlich, die Einrichtung gemütlich (wenngleich es an diesem lauen Frühlingsabend im Restaurant bereits beim Betreten warm war wie im Altersheim). Die Weinkarte setzt überwiegend nicht auf die bekannten Namen, was sicher kein Nachteil ist, aber ähnlich wie seinerzeit in der „Ole Deele“ auf eine mehr als selbstbewusste Kalkulation mit Faktor 3-4. Das muss man sich in einer Stadt wie Hannover auch erst mal trauen.
Das „Jante“ ist definitiv eine Bereicherung für die hiesige Gastronomieszene und der Erfolg gibt dem Konzept recht. Für mich waren einige Gerichte nicht immer leicht zugänglich und mitunter auch nicht gefällig. Und das müssen sie auch nicht sein, denn eine intellektuelle Auseinandersetzung über die Konstruktion eines Gerichtes kann auch spannend sein. Möchte ich so alle Tage essen? Eher nicht, aber es wird interessant sein, die weitere Entwicklung zu beobachten. Und das werden wir gerne begleiten.
Details
Restaurant: | Jante |
Adresse: | Marienstraße 116, 30171 Hannover |
Öffnungszeiten: | Dienstag–Samstag von 18.00–22.00 Uhr Sonntag + Montag Ruhetag |
Website: | www.jante-restaurant.de |
Schlagworte
Casual Fine Dining, Hannover, Jante, Michelin, Mona Schrader, neue deutsche Küche, regional, Tony Hohlfeld
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