Pottkind, Köln
Am 26. Juni 2021 in Deutschland | 2907 Aufrufe
Einen der letzten Restaurantbesuche vor dem Lockdown hatten wir im „pottkind“. Das Menü war seinerzeit durch die Bank sehr überzeugend und bot etliche Highlights, so dass die Entscheidung klar war, dass wir sehr bald nach Wiederöffnung hier erneut an der Theke sitzen wollten. Für uns noch immer der schönste Platz mit direktem Blick aufs konzentrierte Geschehen in der Küche und der Möglichkeit zum ein oder anderen Smalltalk mit den Köchen.
Hätte es die Möglichkeit gegeben, Take Away anzubieten, wären wir hier sicher mehrmals dabei gewesen, aber mangels größerer Kühlmöglichkeiten hatte man sich darauf konzentriert, das Volk mit Pralinés, Gebäck und allerlei sonstigen Süßwaren zu beglücken.
Im März kam dann der Michelin-Stern, eine Auszeichnung, die angesichts der Leistung, die wir im vergangenen Jahr erlebten, nur zu nachvollziehbar ist.
Und so sitzen wir also heute wieder am Tresen, diesmal alleine, weil die meisten Gäste beim sommerlichen Wetter lieber die Außenplätze besetzen.
Zum Start gibt es wie immer Fenchelcracker, eine köstliche Sauce Rouille und diesmal in einem Shisoblatt eine marinierte gelbe Bete mit Safranmayonnaise.
Das Menü beginnt mit einem grob geschnittenen, gut gewürzten Rindertatar, das leicht abgeflämmt wird. In Zimtblüte eingelegte Kirschtomaten liefern Säure und Frische, gerösteter Buchweizen den Crunch und eine Geleehaube ist nicht nur für die Optik da, sondern kann ebenfalls mit markanter Zimtblütennote spannende Akzente setzen. Das Gelee ist aus dem Sud hergestellt, in dem auch die Tomaten mariniert wurden. Ein sehr guter Auftakt.
Zu den wiederkehrenden Standards im „pottkind“ gehört an dieser Stelle Brot, aufgeschlagene Butter und Tiroler Schinken. Alles wie gewohnt zuverlässig gut.
Mit einer nur ganz sacht gegarten Lachsforelle geht es weiter. Das Fischstück steht eine Weile bei den Wärmelampen und das scheint für das zarte Fleisch bereits auszureichen. Ergänzt wird es durch gebratenen Spargel sowie Kräuter und Meerrettich als Garnitur und jeweils als Sauce. Saiblingskaviar rundet das durch und durch harmonische Gericht ab.
Als Ergänzung gibt es im Anschluss noch eine aus den Spargelabschnitten gezogene Consommé, die mit Estragon abgeschmeckt ist.
Deutlich deftiger wird es mit der Interpretation eines regionalen Klassikers. Zu den Cavatelli gibt es Ochsenbäckchen „Rheinische Art“, die also wie Sauerbraten mit Korinthen eingelegt sind. Nun gehört Sauerbraten nicht unbedingt zu den Gerichten, die ich mir freiwillig bestellen würde, solange es Alternativen gibt, aber hier gefällt mir die leicht süßliche Note der Sauce. Das ist originell, passt gut zu dem zart zerfallenden Fleisch und ist einfach lecker.
Ein makelloses und hervorragendes Stück Huhn ist der Protagonist auf dem folgenden Teller. Dazu gibt es ein feines Püree von Sonnenblumenkernen und eine Topinamburschnitte, die wie ein Millefeuille gearbeitet ist. Die Garnitur aus eingelegten Kartoffelscheiben und Holunder bietet einen eher erdigen Charakter und einen etwas säuerlichen Ton. Das ist technisch gut gemacht, aber ich bin noch unschlüssig, ob ich diese Beilage passend finde. Meiner bessere Hälfte mag es und mit der ausgezeichneten Salzzitronenjus und der ebenso guten Sherrysabayon ist es auf jeden Fall auch für mich ein guter Hauptgang.
Auf eine optisch ansprechende Präsentation legt man im „pottkind“ seit jeher großen Wert. Das Dessert macht hier erneut keine Ausnahme, auch wenn das meiste von einer Hippe bedeckt ist. Die allerdings ist so hübsch farblich akzentuiert, dass sie ein wahrer Hingucker ist. Und nicht nur das, sondern aus weißer Schokolade gemacht, liefert sie auch entsprechenden Geschmack. Aber das Entscheidende spielt sich darunter ab. Aprikose als Sorbet, Püree und eingelegt bildet das fruchtige Fundament. Das Sorbet, als Halbkugel geformt, erhält seine zweite Hälfte in Form eines Eis aus gebrannter Milch.
Das ist alles ausgesprochen frisch, abwechslungsreich, gleichzeitig cremig und füllig, mit Crunch und angemessen, aber nicht übertrieben süß. Also sehr, sehr gut.
Den Abschluss bildet traditionell eine Kopie der Grüße vom Anfang, allerdings in der süßen Ausführung. Die Cracker und die Käsekuchencreme gehören immer dazu und das Shisoblatt ist nun gefüllt mit Melone und Ganache.
Auch dieses Menü hat den ausgezeichneten Eindruck vom letzten Mal bestätigt. Enrico Sablotny und sein kleines, aber ganz vorzüglich eingespieltes Team, entwickeln einen Stil, der eine immer klarere Handschrift aufweist. Regionale Zutaten spielen hier eine entscheidende Rolle. Sie werden mit kreativen Komponenten in Szene gesetzt, aber nicht überladen. Basis ist eine sehr klassische Küche, die aber ganz modern und leichtfüßig daherkommt.
Vom Tresen aus zuzuschauen, wie hier konzentriert alle Handgriffe und Abläufe sitzen, ist weiterhin ein großes Vergnügen. Wie das ganze Restaurant erfreulich unprätentiös ist, ohne dafür auf perfekten Service zu verzichten. Es macht einfach Spaß, hier zu sein. Und zu sehen, welche Entwicklung die Küche weiter nehmen wird.
Details
Restaurant: | Pottkind |
Adresse: | Darmstädter Str. 9, 50678 Köln |
Öffnungszeiten: | Dienstag - Samstag: ab 18.00 Uhr Sonntag + Montag: Ruhetag |
Website: | www.restaurant-pottkind.de/ |
Schlagworte
Enrico Sablotny, Köln, kreativ, Michelin, neue deutsche Küche, Pottkind, regional
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