The Wild Duck, Hannover

Wer im Januar des Jahres 2020 mit einem Restaurant den Sprung in die Selbständigkeit wagte, konnte nicht ahnen, auf welches Harakiri-Unternehmen man sich damit einließ. Denn knapp zwei Monate später folgte der erste, später im Jahr dann der zweite, noch viel längere Lockdown. Nicht wirklich die besten Voraussetzungen für Unternehmensgründer.

Dass das „The Wild Duck“ im hannoverschen Stadtteil List von Viet Anh Ngyuen auch drei Jahre später noch exisitiert, zeugt zum einem vom Durchhaltewillen und dann natürlich auch von der Qualität der Küche. Wir haben zwar die positiven Berichte auch zur Kenntnis genommen, aber aus irgendeinem Grund hatte sich für uns ein Besuch bisher nicht ergeben. Spätestens aber, seit der gute Ruf auch bis zu Freunden in Köln schallte, war es unumgänglich, einen Abend einzuplanen. Erfreulich ist dabei auf jeden Fall schon mal, dass das Restaurant auch sonntags geöffnet hat.

Die Karte präsentiert sich sehr übersichtlich mit je zwei Vorspeisen und Suppen, darunter jeweils eine vegane Option, vier Hauptgerichten, von denen ebenfalls eines vegan ist, ein Dessert und Käse. Daraus stellt man sich als Gast ein Menü in zwei bis fünf Gängen (52€ – 85€) selbst zusammen. Weinbegleitung liegt hierbei zwischen 21€ – 45€.

Los geht es mit selbst gebackenem Brot und einer Schnittlauchbutter und selbigem Öl.

Brot & Schnittlauchbutter
Brot & Schnittlauchbutter

Als Amuse Bouche folgt ein Blumenkohlsüppchen, das mit seidiger Textur punkten kann. Auch der geflämmte Apfel und der Kohlrabisalat fügen sich stimmig und harmonisch ein. Das hätte noch überzeugender sein können, wenn es etwas heißer gewesen wäre.

Amuse Bouche
Amuse Bouche

Unter der mangelnden Hitze leidet für meinen Geschmack auch das Kalbsbries, das in zweierlei Form, gebacken und in Jus gegart, kommt. Dass die letztere Version etwas fest daherkommt, stört mich dabei weniger. Und auch auch die Kombination mit fermentierten Radieschen sowie Blaubeeren als Schaum und als Eis klingt zwar erst mal recht wild, ist aber durchaus spannend. Aber letztlich ist Kalbsbries für mich eine Zutat, die einfach heiß gehört, auch wenn auf Rückfrage betont wird, dass die Temperatur so sein sollte.

Kalbsbries / Blaubeere / Radieschen
Kalbsbries / Blaubeere / Radieschen

Ungewöhnlich mutet auch das vegane Pendant auf der anderen Tischseite an. Rote Bete kommt in Variation und mit leicht pikanter Schärfe. Cashewcreme und Blutorangensorbet zeugen von dem Bestreben, nicht nur texturelle Vielfalt auf den Teller zu bringen, sondern auch mit Temperaturkontrasten zu arbeiten. Das geht überraschend stimmig auf und zeigt, wie kreativ vegane Küche sein kann.

Bete / Orange / Pfifferling / Cashew
Bete / Orange / Pfifferling / Cashew

Zu einem echten Highlight geraten die folgenden Suppen. Die Tom Yam überzeugt mit cremiger Konsistenz, kräftigem Krustentiergeschmack und leichter Schärfe. Separat dazu gibt es eine gut gebratene Jakobsmuschel mit Wasabi-Erbsen-Crunch. Insgesamt ausgezeichnet.

Auch ich bin mit meiner simpel als „Pilz“ angekündigten Suppe mehr als zufrieden. Es handelt sich um eine sehr kräftige und konzentrierte Consommé mit Enoki-Pilzen als Einlage. Das schmeckt dunkel, erdig und ergänzt sich prima mit dem à part servierten Steinpilz-Espuma und -pulver – Pilz-Power pur!

Im Hauptgang entscheidet sich mein Mann für die Ente mit gut gebratenen Stücken von der Brust und Keule in einem Umami-reichen Fond. Separat gibt es dazu Klebreis mit Röstzwiebeln und einem erstaunlich eleganten Kimchi ohne die oft überlagernde Schärfe.

Der Weiße Heilbutt in meinem Gericht geht zwar in der Sauce ein wenig unter. Aber dennoch ist erkennbar, dass er ausgezeichnet gebraten ist und eine schöne feste Struktur aufweist. Begleitet ist er von Chayote, einem kürbisartigen Gewächs mit leicht säuerlicher Note und Pilzen. Die Sauce, als Beurre Blanc annonciert, lässt für mich die typische Säure vermissen und ist mir insgesamt auch etwas zu suppenartig geraten. Dennoch ist das in Summe ein schöner Gang mit leicht asiatischem Touch.

Weißer Heilbutt / Topinambur / Chayote / Kräutersaitlinge
Weißer Heilbutt / Topinambur / Chayote / Kräutersaitlinge

Erfrischend und köstlich präsentiert sich auch das abschließende Dessert. Litschi und Maracuja kommen als Mousse, letztere auch als Schaum und Sorbet. Sesam findet sich als Chip und als Erde wieder. Das ist abwechslungsreich und einfach lecker.

Litschi / Maracuja / Sesam
Litschi / Maracuja / Sesam

Das Post Dessert anstelle von Petit Fours bringt der sympathische Viet Anh Ngyuen dann selbst an den Tisch und als er sich nach der Zufriedenheit erkundigt, nimmt er auch die kleinen Kritikpunkte aufgeschlossen zur Kenntnis.

Das kleine Dessert, in dem sich auch die namensgebende Ente wiederfindet, ist übrigens eine gelungene, erneut vegane, Kombination aus Mousse und Schaum von der Kokosnuss.

Post Dessert
Post Dessert

Dieser erste Abend war bereits sehr erfreulich mit Highlights bei den Suppen, beim Dessert und überraschend kreativen Gerichten generell.

Auch der Service, an diesem Abend von einem überaus freundlichen und aufmerksamen jungen Mann alleine geführt, hat uns wohlfühlen lassen.

So war der Zweitbesuch nur eine Frage der Zeit und fiel diesmal auf einen Samstag im Januar. Leider hat mich ausgerechnet einen Tag vorher eine komplett verschlossene Schnupfennase heimgesucht, die sowohl Geruchs- als auch Geschmackssinn doch heftiger beeinträchtigten als erwartet. Ungenauigkeiten bei der Beschreibung der Gänge bitte ich daher nachzusehen.

Auch heute startet der Abend mit dem selbstgebackenen Zwiebel-Dinkel-Roggenbrot und einer Rote Bete-Butter mit Schnittlauchöl.

Brot & Rote Bete-Butter
Brot & Rote Bete-Butter

Das Amuse Bouche bildet diesmal ein Streifen von geschmorter Rinderbacke mit Rotkohlcreme. Das Fleisch ist zart, aber dennoch schnittfest. Ein guter Auftakt.

Amuse Bouche
Amuse Bouche

Als ersten Gang entscheiden wir uns beide für den Hamachi, der von fermentierten Radieschen und Mango als Eis und als feine Brunoises begleitet ist. Die Vinaigrette ist fein säuerlich abgeschmeckt und mit dem Eis ergibt sich ein schöner Temperaturkontrast. Sehr gut gefällt mir, dass sich die Fruchtnote in diesem Gericht nicht zu sehr in den Vordergrund spielt, sondern den Fisch eher elegant ergänzt.

Hamachi / Mango / Radieschen
Hamachi / Mango / Radieschen

Waren die Suppen bei unserem ersten Besuch ein klares Highlight, lässt uns die heutige etwas ratlos zurück. In der Karte als Languste / Linse / Koriander angekündigt, wird hier eine Hummerschaumsuppe annonciert. Den typischen Krustentiergeschmack empfinde ich nicht als übermäßig prägnant, was aber meiner Erkältung zuzuschreiben sein kann. Nicht schlüssig empfinden wir aber beide die Linsencreme und -erde. Aus Neugier probiert man natürlich auch erst mal beides pur, was vor allem auf die Linsenerde bezogen nicht sonderlich empfehlenswert ist. Zu trocken und sandig, sprich unangenehm, ist das Mundgefühl. Auch in die Suppe gemischt, ergibt sich hier für uns kein Mehrwert. Das kann dann auch das Mini-Medaillon von der Languste nicht herausreißen. Zugegeben ein teures Produkt, aber so klein portioniert, kann es dann eben auch keine Akzente setzen.

Languste / Linse / Koriander
Languste / Linse / Koriander

Die sous-vide gegarte und dann noch mal nachgebratene Ente im Hauptgang meines Mannes ist dafür wieder einwandfrei. Die Variation vom Sellerie als Creme, Schaum und pur sowie die konzentrierte Jus zeugen ebenfalls vom guten Handwerk. Und wären nicht noch Edamame mit auf dem Teller könnte man das fast als klassische Kombination durchgehen lassen.

Ente / Sellerie / Edamame
Ente / Sellerie / Edamame

Ich entscheide mich erneut für Fisch und wieder findet er sich, wie bereits beim ersten Besuch, in einer relativ großen Saucenmenge wieder. Der Zander wird zwar als gebraten annonciert, macht aber aufgrund der fehlenden Röstaromen und weichen Struktur eher den Eindruck, gedünstet worden zu sein. Er ist auf einer Artischockencreme gebettet, die von einem Schaum mit Schinkengeschmack umgeben ist. Das ist zwar markant, aber nicht zu kräftig. Gut allerdings, dass es noch gebratene Artischockenstücke gibt, die etwas Textur ins Spiel bringen. Ansonsten wäre mir das alles etwas zu weich gewesen.

Zander / Artischocke / Bauernschinken
Zander / Artischocke / Bauernschinken

Das Dessert bildet eine Kombination aus Kaffeemousse in Guglhupfform und einem Cassissorbet. Beides ist sehr gut gelungen und von typischem Eigengeschmack. Ob mir beim Pina Colada-Schaum erneut meine Erkältung in die Quere kommt oder er tatsächlich etwas zurückhaltend ausfällt, muss ich an dieser Stelle leider offen lassen. Dass Viet Anh Ngyuen offenbar ein Faible dafür hat, Zutaten auch als „Sand“ zu präsentieren, zeigt er auch hier wieder mit dem Kaffeesand. Gut gemacht, aber irgendwie auch etwas wiederholend. Aber ansonsten gibt es an diesem Dessert nichts groß auszusetzen.

Kaffee / Piña Colada / Cassis
Kaffee / Piña Colada / Cassis

Den Abschluss bildet auch diesmal wieder ein Post-Dessert mit Ente. Die Kokos-Ente darf auf einer Schokoladenganache und einem fabelhaften Mandarinensorbet schlummern.

Post Dessert
Post Dessert

Der gute Eindruck des ersten Besuchs hat sich, auch trotz erkältungsbedingten Geschmackseinschränkungen, bestätigt. Viet Anh Ngyuen zeigt deutlich, dass er sein Handwerk beherrscht und sich auch nicht scheut, mutig und unkonventionell zu kombinieren. Ob man dabei immer sämtliche Konsistenzen und Temperaturkontraste auf den Teller bringen muss, lasse ich mal offen. Es sollte zumindest Sinn machen und nicht nur reine Leistungsschau sein. Aber ich freue mich grundsätzlich erst mal über jeden Koch, der sich was traut und dessen Gerichte Abwechslung bieten. Und mit dieser Crossover-Küche, die munter asiatisches mit deutschem und französischem mischt und die sich auch darum bemüht, vegane Gerichte kreativ zu präsentieren, ist das allemal garantiert.

An diesem Abend ist auch Martina Glauberstein als Sommelière im Haus. Sie ist für die Weinkarte verantwortlich, die ihren Fokus vor allem auf naturnahe und biologisch produzierte Weine legt. Wer sich mit diesem Stil schwertut, muss ein wenig suchen in der noch ausbaufähigen Karte, wird aber auch fündig. In jedem Fall kann man hier auch eher unbekannte Weingüter kennenlernen und wird dabei von Martina Glauberstein kompetent beraten.

Der Service ist erneut aufmerksam und herzlich. Man freut sich sichtlich über unseren Wiederbesuch. Auch an den übrigen Tischen haben wir den Eindruck, dass es nur zufriedene Gesichter gibt. So darf man dem „The Wild Duck“ attestieren, dass es nach wirtschaftlich sicher schwierigem Start in Lockdown-Zeiten offenbar seinen Platz und sein Publikum in Hannover gefunden hat und eine Bereicherung der sich hier erfreulich entwickelnden Gastroszene ist.

Details

Restaurant: The Wild Duck
Adresse: Podbielskistraße 167, 30177 Hannover
Öffnungszeiten: Donnerstag - Sonntag: 18.00 - 22.00 Uhr
Montag - Mittwoch: Ruhetag
Website: www.thewildduck.de

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Kommentare

  1. Carsten am 16. Februar, 2023 um 17:23 Uhr.

    Kommt schon ein wenig Wehmut auf, wenn es denn jetzt bald nach Köln geht?

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