Tim Raue, Berlin

Die vielen Auszeichnungen an Tim Raues Restaurantfassade gehören nahezu zum festen Fotoprogramm der meisten Besucher. Sie machen deutlich, dass hier jemand seine Erfolge nicht mit Zurückhaltung, sondern betontem Selbstbewusstsein zur Schau trägt. Und das passt ja durchaus auch zu seinem Stil, mit dem er auch dem breiten Publikum durch zahlreiche Fernsehauftritte bekannt geworden ist. Wenn man nur dieses Bild kennt, mag man übersehen, dass diese Auszeichnungen auch das Ergebnis langer und konsequenter Arbeit sind. Denn wie nur wenige hat Tim Raue über die Jahre ein Verständnis für die asiatische Küche und einen sehr wiedererkennbaren Stil entwickelt.

Außenansicht
Außenansicht
Außenansicht
Außenansicht

Das Restaurant selbst hat sich mit der Zeit nicht verändert, was für den zeitlosen und großstädtischen Stil spricht, den es vom ersten Tag an ausstrahlt.

Interieur
Interieur

Da wir in Berlin sind, ist es nicht überraschend, dass es neben zwei siebengängigen Menüs (268€) auch ein veganes (228€) gibt. Lunch, ebenfalls in beiden Versionen zu haben, gibt es noch freitags und samstags. Hier kann sich der Gast sein Menü aus acht Optionen ab vier Gängen (122€) selbst zusammenstellen. Einige Gänge sind hierbei auch aus den Abendmenüs, so dass das Mittagsangebot nach wie vor eine preislich hochattraktive Angelegenheit darstellt. Mittags wie abends kann man zudem seine Menüs um zwei von Tim Raues Signature Dishes, den Wasabi Kaisergranat und die Pekingente, gegen Aufpreis ergänzen bzw. ersetzen.

Raues Küche hat sich seit jeher durch eine prononcierte Schärfe ausgezeichnet. Und damit sich der Gast gleich zu Beginn darauf einstellen kann, wird das auch bereits bei den Snacks zum Auftakt deutlich. Ob beim dünn aufgeschnittenen Schweinebauch, dem lila Curry Marshmallow mit Kokosnuss oder dem herausragenden Krustentiersud mit Süßkartoffel und Butter – die Spicyness ist zwar nachhaltig, aber nie überlagernd. Stets bleibt das Hauptprodukt im Mittelpunkt.

Snacks
Snacks

Zu den Klassikern hier gehört mittlerweile auch die mit Matcha marmorierte Gänseleberterrine, die im Prinzip sehr klassisch gearbeitet ist und feinen Schmelz aufweist. Knusprige Noriringe, fruchtige Gels sowie ein Hauch Wasabi schieben den Gang dann aber doch recht deutlich nach Asien. Wieder sehr gut.

Auch der gedämpfte Zander ist, sicher nicht nur aufgrund der beeindruckenden Präsentation am Tisch, wenn der Fisch aus dem dampfenden Korb gehoben wird, Teil des Standardprogramms. Das dicke Filet ist auf den Punkt gegart und blättert perfekt auf. Schön die Auflage aus Sauerkraut und Sangohachi, einer fermentierten Reispaste und vor allem die mit Sauerkrautsaft erstellte Beurre Blanc. Das ist mundfüllend, aber erneut durch das Öl mit prägnanter Schärfe ausgestattet. Ein toller Gang, der immer wieder Spaß macht.

zander sangohachi, sauerkraut & peruanische minze
zander sangohachi, sauerkraut & peruanische minze

Nach den sehr kräftigen Gängen wirkt der folgende mit weißem Kimchi, Holunderblüte und Grapefruit mit seinem kühlen, frisch-fruchtigen Charakter angenehm beruhigend.

weisses kim chi, holunderblüte & grapefruit
weisses kim chi, holunderblüte & grapefruit

Über den Wasabi-Kaisergranat muss man nicht mehr viele Worte verlieren. Tim Raue hat ihn schon lange auf der Karte und das aus gutem Grund. Neben der ausgezeichneten Qualität überzeugt hier vor allem das Spiel aus Cremigkeit, dem super knusprigen Reisflockenmantel und dem leicht gebundenen Karottensud. Das ist würzig, aber auch milder und technisch sehr ausgefeilt.  Zu Recht ein Signature.

Wasabi Kaisergranat
Wasabi Kaisergranat

Die folgende Backe vom Wagyu Rind ist super zart geschmort und bekommt mit würzigen Knusperflakes eine crunchy Auflage. Dazu gibt es rote und grüne Paprika sowie eine klassische Jus. Das ist insgesamt zwar etwas konventioneller, aber nicht weniger ausgewogen und gut.

wagyu beef, rote paprika & grüne paprika
wagyu beef, rote paprika & grüne paprika

Für mich gibt es im nächsten Gang die Dim Sum als Interpretation von Ente à l’Orange. Die Füllung ist relativ fest, aber sehr aromatisch. Die Teigtaschen erhalten eine Auflage von Kürbis und Zwergorangen, was die Assoziation natürlich verstärkt. Auch die Sauce ist recht füllig und unterstreicht den recht kräftigen Charakter.

dim sum “ente à l’orange“, kumquat & kürbis
dim sum “ente à l’orange“, kumquat & kürbis

Im Hauptgang hat die Küche für meinen Mann die zusätzlich georderte Pekingente vorgesehen. Die kommt in drei Teilen und zwar als Brust mit kräftiger Jus, als Terrine mit gezupftem Keulenfleisch, was eher mild ausfällt sowie einer sehr konzentrierten und würzigen Consommé mit Chawanmushi. Das ist in Summe eine schöne und abwechslungsreiche Variation.

Für mich gibt es Saté-Huhn, das mit Erdnussbutter, Zitronengras und Chili abgeschmeckt ist. Das Fleisch ist ausgesprochen zart und die Sauce sehr ausgewogen. Nimmt man diese allerdings alleine, zeigt sie schon, wieviel Wumms in ihr steckt. Aber in Kombination geht das sehr gut auf.

À part gibt es ein Arrangement von roten Zwiebeln mit Fischsauce und Mango, was zwischen Säure, Frucht und Schärfe changiert. Als Kontrast zum Hauptteller macht sich das sehr gut.

Auch bei den Desserts teilen wir uns auf. Mein Mann entscheidet sich für die schokoladige Version in Form einer mit sehr leichter Schokoladenmousse und flüssigem Karamellkern gefüllten Kugel. Birne gibt es in dreierlei Form als Eis, Sud und in marinierter Form. Dazu die Pekannüsse, die an der Schokoladenkugel angebracht sind für den Crunch. Das ist etwas füllig, aber eben auch sehr leicht und vor allem sehr gelungen.

pekannuss, birne & andoa schokolade
pekannuss, birne & andoa schokolade

Sehr auf der frischen Seite präsentiert sich meine Wahl. Mango, perfekt gereift, in dünnen Scheiben und als Creme wird ergänzt von Eis von gepufftem Reis und einem Sud aus Kopfsalat und Gurke. Das ist zwar alles relativ weich, bis auf die Reischips, aber stört nicht weiter, weil der säuerlich erfrischende Charakter hier deutlich im Vordergrund steht.

nam dok mango, limette & reis
nam dok mango, limette & reis

Den Abschluss bilden drei Kleinigkeiten rund um grünen Apfel. Mariniert mit Salz, Zitrone und Sauerampfer, als Gelee und Praline jeweils mit Szechuanpfeffer fügen sich diese Petit Fours passend ins Menü.

Petit Fours
Petit Fours

Tim Raue setzt weiter auf starke Aromen und das nicht nur, was Schärfe angeht. Jedenfalls ist dies keine leise Küche, sondern eine, die ganz selbstbewusst daherkommt. Und darüber hinaus auch mit sehr feinem Handwerk und geschmacklicher Tiefe. Dabei sind die Gerichte sehr konzentriert und verzichten auf unnötiges Beiwerk. Das kann sich erlauben, wer seinen Stil gefunden hat.

Der Service unter Restaurantmanager und Sommelier Raphael Reichardt findet einen prima Weg zwischen lockerem Auftreten und fachlicher Perfektion. An unserem Nebentisch hatte ein Gast ein großes Informations- und Beratungsbedürfnis sowie zahlreiche Fragen zu jedem Gang. Wie souverän und fachkundig auch damit umgegangen wurde, macht das Niveau hier deutlich.

Und das ist ein Grund mehr, warum sich ein Besuch hier immer lohnt.

Details

Restaurant: Tim Raue
Adresse: Rudi-Dutschke-Str. 26, 10969 Berlin
Öffnungszeiten: Dienstag - Donnerstag: 18.30 - 24.00 Uhr
Freitag & Samstag: 12.00 - 15.00 Uhr und 18.30 - 24.00 Uhr
Sonntag & Montag: Ruhetag
Website: www.tim-raue.com/

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Kommentare

  1. Gourmetfrank am 30. Mai, 2023 um 18:27 Uhr.

    Ich esse auch sehr gerne bei Tim Raue. Zur Peking-Ente möchte nur anmerken, dass in der Suppe gemäß seinem Originalrezept auch Innereien verarbeitet werden, z.B. ein Entenherz. War dies bei Euch auch der Fall?

  2. Thomas Westermann am 30. Mai, 2023 um 18:48 Uhr.

    Ich habe den Gang diesmal nur probiert, weil es der Gang meines Mannes war, aber soweit ich mich erinnern kann (und auf dem Foto erkenne), war tatsächlich auch Herz mit enthalten.

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