Vendôme, Bergisch-Gladbach

In der deutschen Spitzengastronomie werden regelmäßig drei Namen genannt, die für sehr unterschiedliche Stile stehen, aber in ihrer Klasse quasi „primus inter pares“ sind. Harald Wohlfahrt und Klaus Erfort stehen dabei eher für die klassisch französische Ausrichtung, Joachim Wissler im „Vendôme“ für die Avantgarde. Für mich persönlich müsste dieses Triumvirat noch um Christian Bau ergänzt werden, dessen asiatisch geprägte Küche sich auf einem Perfektionsniveau bewegt, das seinesgleichen sucht.

Im internationalen Fokus, auch in den diversen – mitunter zweifelhaften – Ranglisten, stehen allerdings vor allem die Köche der Avantgarde, weil sie eher Stile prägen und Trends setzen.
Ob Joachim Wissler tatsächlich noch in diese Kategorie fällt, vermag ich nicht zu sagen. Vor vielen Jahren empfand ich seine Küche als sehr intellektuell und verkopft, manchmal schwer zugänglich und bei manchen Gerichten habe ich sogar überlegen müssen, ob es mir nun eigentlich schmeckt oder nicht. Ich stand wie vor einem Bild im Museum und habe mich gefragt, was mir der Künstler damit eigentlich sagen will.

Seit mehreren Jahren allerdings hat sich dies deutlich geändert. Die Gerichte sind immer noch hochkomplex, aber ohne Frage viel leichter verständlich und vor allem dem unbeschwerten Genuss verpflichtet. Dazu trägt auch eine Eigenschaft bei, die bei Wissler immer mehr Platz eingenommen zu haben scheint und ihm und seiner Küche ausgesprochen gut zu Gesicht steht: Humor.
Mit der Gelassenheit, Erfahrung und Perfektion eines wahren Meisters und mit ungebremster Kreativität erlaubt er sich im Laufe eines Menüs ironische Schlenker, die aus dem vermeintlichen Hochamt der 3 Sterne-Küche ein 5 Sterne-Vergnügen machen.

Das können seine Interpretationen von bekannten Markensüßigkeiten wie dem schon zum Klassiker gewordenen Toffifee, dem Oreo, Raffaello oder seinen stets zum Abschluss wechselnden Varianten des Magnums sein oder eben wie diesmal eine Brotzeit zum Auftakt mit dreierlei Hüttenkäse . So gemacht und mit Wagyu Beef präsentiert würde ich mich glatt daran gewöhnen.

W A G Y U B E E F  [Brotzeit : Hüttenkäse & Bucheckern]
W A G Y U B E E F  [Brotzeit : Hüttenkäse & Bucheckern]

Das Milchferkelschnäuzchen mit Gillardeau Auster wird nicht nur originell präsentiert, sondern variiert auch gekonnt das derzeit angesagte Thema Schwein und Auster.

M I L C H F E R K E L S C H N Ä U Z C H E N [süß – sauer : Gillardeau Auster]
M I L C H F E R K E L S C H N Ä U Z C H E N [süß – sauer : Gillardeau Auster]

Gezielt wird auch mal ein optischer Gimmick gesetzt, wie beim Hauptgang, als zum Hasen noch ein Hasenleber-Crostini auf leicht dampfendem Waldmoos (unter Glas) serviert wird. Kann man verspielt und überflüssig finden, witzig ist es allemal und der Crostini war fabelhaft. Der Hasenrücken selber natürlich auch. Und der namengebende Hasenpfeffer, der hier ironischerweise à part kam, selbstverständlich auch.

Zwischendurch kann Wissler auch ganz klassisch wie beim Ei mit Trüffel, Spinat und Nussbutter. Wozu auch soll man eine perfekte Kombination unnötig verfremden?

L A N D E I [weißer Trüffel : Spinat & Nussbutter]
L A N D E I [weißer Trüffel : Spinat & Nussbutter]

Ebenso der Käsegang, bei dem geschmolzener Vacherin mit ein wenig Kirschgeist verfeinert wird und ansonsten nur mit köstlichstem Trüffelfocaccia und gefriergetrocknetem grünem Spargel zum Dippen serviert wird. Ein wunderbares Produkt kann man auch einfach mal relativ archaisch in Szene setzen.
Auch das zeichnet Souveränität aus, nicht immer das Rad komplett neu erfinden zu müssen.
Humor blitzt aber auch hier noch mal auf, wenn die Käseschachtel das Vendôme-„V“ zum „Vondue“ macht.

Am Ende eines Menüs allerdings ein Frühstück zu servieren, war dann doch eine Novität. Auf dem Tisch aufgebaut werden Brötchen (baiserähnlich), „Nutella“, Konfitüre, Milchkaffee (als sehr cremiger Schaum) und eine Müsli-Interpretation.

Das ist nach vielen Höhepunkten vorher – immerhin weist das große Menü neben vier Grüßen zum Auftakt dann reguläre 10 Gänge auf, bevor noch die süßen Kleinigkeiten kommen – noch einmal der ganz große Auftritt zum Schluss.

Davor und dazwischen viel Großartiges, aufwändig in Szene Gesetztes, manchmal Extravagantes, viel Kreatives und Überraschendes. Ist das Avantgarde? Vielleicht, aber das ist nicht wichtig für mich.

Wichtig ist, 5 Stunden auf allerhöchstem Niveau gegessen zu haben, exzellenten Wein und hervorragenden Service genossen zu haben und dabei noch gut unterhalten worden zu sein. Das kann man sicher in vielen Restaurants erleben, egal ob der Klassik, Moderne oder der Avantgarde zuzuordnen. Aber irgendwie ist Joachim Wissler dann eben doch „primus inter pares“.

M A K R E L E  [Escabeche – Kartoffel : Sardinencrème]
M A K R E L E  [Escabeche – Kartoffel : Sardinencrème]
B L A U - W E I S S [bretonischer Hummer : Ochsenmark & Muskatkürbis]
B L A U - W E I S S [bretonischer Hummer : Ochsenmark & Muskatkürbis]
K A L B S S C H W A N Z & B R I E S [Riesling geschmort : Holunderbeeren & Süßkartoffelcrème]
K A L B S S C H W A N Z & B R I E S [Riesling geschmort : Holunderbeeren & Süßkartoffelcrème]
R O T E B E T E [geeiste Gewürzmolke : Walnusscrème]
R O T E B E T E [geeiste Gewürzmolke : Walnusscrème]
Die Trüffelauswahl
Die Trüffelauswahl

Details

Restaurant: Vendôme
Adresse: Kadettenstrasse, 51429 Bergisch Gladbach
Öffnungszeiten: Mittwoch - Sonntag 19:00 - 22:00 Uhr
Samstag & Sonntag 12:00 - 14:00 Uhr

Montag + Dienstag: Ruhetage
Website: www.schlossbensberg.com/de/restaurant-vendome

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