1789, Baiersbronn
Am 29. September 2023 in Deutschland | 1802 Aufrufe | 2 Kommentare
Mit dem Brand des Stammhauses gingen nicht nur die Restaurants verloren, sondern auch einige Namen. Ihn der „Schwarzwaldstube“ zu nehmen, wäre angesichts des ikonischen Status undenkbar gewesen. Aber für die „Köhlerstube“ und die „Bauernstube“ war der Neubau gleichzeitig auch ein Neubeginn mit neuem Namen und, wenn man so will, auch neuer Identität. Die frühere „Köhlerstube“ wurde zum „1789“, dem Gründungsjahr der Traube Tonbach und aus der „Bauernstube“ wurde das „Schatzhauser“. Und wenn man schon alles ändert, dann tauscht man auch gleich die Räumlichkeiten. Denn das „1789“ zog in den rechten Flügel des Gebäudes, also ungefähr dorthin, wo früher die „Bauernstube“ beheimatet war.
Dem ganzen Neubau ist eine klare Sachlichkeit inne. Blumige Polster und Schwarzwaldromantik sind ebenso passé wie Tischdecken, außer in der „Schwarzwaldstube“ natürlich. So sind auch im „1789“ die Tische blank, alles sehr geradlinig und mit moderner Kunst versehen, die sich durch das gesamte Haus zieht.
Florian Stolte, seit 2012 als Küchenchef sowohl für das „1789“ als auch das „Schatzhauser“ verantwortlich, bietet zwei Menüs in jeweils sechs Gängen an. Das omnivore für 185€, das vegetarische für 155€. Letzteres muss man möglicherweise anmelden und separat danach fragen, denn als wir an unseren Tisch kommen, liegt dort nur die Fisch-Fleisch-Version parat. Kein Problem für uns, da dies eh unsere Wahl gewesen wäre, aber doch irritierend, wenn beide Optionen online verfügbar sind.
Das Menü startet mit einigen Einstimmungen. Eine portugiesische Garnele auf Algenchip ist eher süßlich mild, während das Gänselebereis in der Tartelette von markantem Eigengeschmack ist und schlichtweg köstlich. Am meisten begeistert uns jedoch die Consommé mit Soba-Nudeln und Shiitake. Die ist hochkonzentriert und von kräftigem Geschmack – großes Suppenkino.
Das Amuse Bouche bestimmt dann mit deutlich asiatischem Einschlag die Linie, die sich durch das Menü ziehen wird. Zweierlei Tatar vom Thunfisch und von Shiitake mit Gurke und einer Bonitovinaigrette sind gut gewürzt und weisen eine prägnante, aber ausgewogene Säure auf. Das ist sehr elegant.
Den richtigen Einstieg ins Menü bestimmt der auch hier allgegenwärtige Hamachi, leicht abgeflämmt und mariniert als Tatar. Letzteres fällt trotzdem sehr mild aus. Dazu gibt es Karotte, ebenfalls abgeflämmt und als Tatar sowie ein Rote Bete-Röllchen mit Nori-Alge. Die Vinaigrette basiert auf Tosazu, einer Würzsauce, für die Dashi mit Sojasauce, Mirin und Reisessig gemischt werden. Die hinterlässt auch den kräftigsten Eindruck, während alle übrigen Komponenten sehr dezent bleiben.
Mit dem folgenden Gang wird es sehr luxuriös. Eine Langustine von stattlichem Format ist top gegart. Dazu gibt es eine Variation von Blumenkohl, gleich in fünf Versionen und zwar geflämmt, gehobelt, mariniert, als Teigtasche und als Couscous. Die Schnittlauchnage, ähnlich einer Beurre Blanc, ist hinreißend aromatisch, erfreulich reichlich und einfach brillant. Der Kaviar, in vernünftiger Menge portioniert, adelt das Gericht endgültig und macht es zu einem absoluten Highlight.
Die Küche legt aromatisch noch eine Schippe drauf. Der Adlerfisch ist von fein gewürfelter Paprika und einem leicht scharfen roten Thai-Curry begleitet. Das ist in seiner Reduziertheit sehr überzeugend.
Beim Fleischgang greift die Küche zu Rinderrücken vom australischen Premium-Erzeuger Jack’s Creek. Der Gargrad ist top und die Beilagen mit kleinen gebratenen Steinpilzen sowie einem Mangoldblatt, das mit fein geschnittenem Lauch gefüllt ist, stimmig. Die Jus mit klein gewürfeltem Ragout ist im Kontext kräftig, aber eher etwas neutralisierend. Nimmt man die Sauce alleine, ist der Asia-Touch mit Zitronengras und Schärfe deutlich spürbar. Das ist sehr gut gemacht und in Summe ein sehr guter Hauptgang.
Im ersten Dessert wird es schokoladig mit einem Eis von Guanaja-Schokolade, das auf einem Bananen-Kaffirlimetten-Parfait kommt. Die Befürchtung beim Lesen des Menüs, dass das zu mächtig werden könnte, vor allem mit den karamellisierten Bananen, erweist sich als unbegründet, denn dadurch, dass es sich um geeiste Komponenten handelt, ist das ganze Gericht deutlich erfrischender als erwartet. Das wird auch durch den Kaffir-Limetten-Abrieb auf dem Reischip unterstrichen.
Auch mit dem abschließenden Dessert bleibt Florian Stolte erfreulicherweise auf der frischen Seite. Mit einem ausgezeichneten Mangosorbet auf Joghurtmousse und Blaubeeren, die auch als Kombuchasud verarbeitet sind, dominiert eine schöne Fruchtnote. Und wenn es schon zwei Süßspeisen im Menü gibt, dann ist mir diese Form von relativ leichten und kühlen Kreationen deutlich lieber.
Mit vier gelungenen Petits Fours geht ein Menü zu Ende, das durchweg zu überzeugen weiß.
Florian Stolte hat einen Küchenstil entwickelt, der eindeutig asiatische Einflüsse hat, die aber auf so selbstverständliche Weise in seine Gerichte einfließen, dass sie nicht so dominant wirken, dass man der ganzen Küche das Asia-Etikett anheften müsste.
Dazu passt ja auch, dass ausgerechnet die Langustine mit Blumenkohl und Kaviar, also der am wenigsten fernöstliche Gang, für mich den stärksten Eindruck hinterlassen hat. Handwerklich ist das alles auf fabelhaftem Niveau und die Produktqualität – wie kaum anders zu erwarten in diesem Haus – ebenso.
Der Service wird von Fabian Clement und Sommelière Anna Ueter durchaus freundlich und aufmerksam versehen, aber irgendwie scheint es uns, dass man an anderen Tischen durchaus intensiver mit den Gästen kommuniziert. Ich hoffe nicht, dass von uns etwas ausgeht, das das verhindert. Und einen Tipp hätte ich noch: Wenn man wie wir mit Blick auf die automatische Tür zur Küche sitzt, sollte man darauf achten, dass die Tür geschlossen ist, während man Servicekollegen maßregelt, zumal wenn es mehrmals passiert. Es macht sich nicht gut, wenn Gäste so etwas mitbekommen.
Details
Restaurant: | 1789 |
Adresse: | Tonbachstraße 237, 72270 Baiersbronn |
Öffnungszeiten: | Freitag - Dienstag: 18.20 - 22.00 Uhr Mittwoch + Donnerstag: Ruhetag |
Website: | www.traube-tonbach.de/restaurants-bar/1789-1/ |
Schlagworte
1789, asiatisch, Florian Stolte, kreativ, Michelin, Traube-Tonbach
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Ihr Bericht macht Appetit, der Herr Stolte hat es drauf! Nur werde ich nie seine guten Sachen probieren können, auch wenn ein Umweg über Baiersbronn kein Problem wäre.
Es ist das schockierende Foto des 1789-Interieurs. Non-Color in seiner schlimmsten Version, Tische wie in der Bahnhofs-Mission, keine Lebensfreude, keine Tischkultur und schreckliche Ausleuchtung einerseits – andrerseits keinerlei Bezug zum Behaglichkeit und Tradition signalisierenden „1789“, zu dem ich Rebhuhn-Ballotine passender gefunden hätte als Tosazu.
Im Übrigen finde ich es immer wieder unverständlich, ja sogar arrogant, den Gast durch ein festes Menü zu bevormunden, statt ihm durch eine Speisekarte die Möglichkeit zu geben, sein Menü selbst zusammenzustellen (gerne auch mit Beratung durch den Service, wie das bei der Wahl des Weines ja auch üblich ist).
Zum Interieur muss ich fairerweise sagen, dass das Bild am Ende des Abends entstanden ist, als die meisten Gäste bereits gegangen waren. Die Tische waren natürlich schon eingedeckt, wenn auch recht spartanisch. Aber über das Thema Tischkultur kann man hier durchaus diskutieren.