Favorite, Mainz

Donnerstag Abend, erste Frage: „Was hälst Du davon, wenn wir Samstag einen Ausflug nach Mainz machen?“ Ich überlege kurz. Gegenfrage: „Wie lange dauert das?“ Keine ganz unwichtige Frage, denn wenn wir jetzt über Ausflüge sprechen, dann sind die meistens mit dem Deutschland-Ticket gemeint. Die Strecke ist schön, immer entlang des Rheins, aber dann doch gute drei Stunden lang. Nun verbinde ich mit Mainz nichts Besonderes, so dass ich zögere.

Zweite Frage: „Gibt es in Mainz eigentlich Sternerestaurants?“ Ich weiß, dass es welche gibt, aber ob die auch mittags geöffnet haben, kann ich mir nicht vorstellen. Also kurz recherchiert und siehe da: Alle vom Michelin gelisteten Häuser haben auch Samstag mittags geöffnet. Auf einmal scheinen mir drei Stunden gar nicht mehr so lang und die Aussicht auf eine gemächliche Tour entlang des Mittelrheins und an der Loreley vorbei durchaus ganz charmant. Wie die Aussicht auf ein gutes Mittagessen doch die Perspektiven verändern kann.

Die Wahl für die Mahlzeit fällt auf das „Favorite“, dem Gourmetrestaurant im gleichnamigen Parkhotel. Dort wirkt seit 2020 Tobias Schmitt, der es trotz Corona-bedingt schwierigem Jahr schaffte, 2021 den Michelinstern ins Haus zurückzuholen. Zuvor war Schmitt, übrigens Sohn von Harald Schmitt, ehemaliger Chef der legendären Wiesbadener „Ente“, fünf Jahre Sous-Chef bei Andreas Krolik im „Lafleur“. Weitere Stationen in der bemerkenswerten Vita des erst Mitte Dreißigjährigen sind die „Villa Merton“ in Frankfurt, das „La Rive“ in Amsterdam, „Poletto“ und „Louis C. Jakob“ in Hamburg sowie ein Jahr in Australien.

Nun also das „Favorite“, seine erste Position als Küchenchef. Die Preise für das reguläre Abendmenü, das aber offenbar auch mittags geordert werden kann, liegen bei selbstbewussten 160€ für vier Gänge bis zu 190€ für sechs Gänge. Dagegen nimmt sich das Lunch-Menü für 59€ bzw. 74€ für drei oder vier Gänge geradezu wie ein Schnäppchen aus. Und diese vier Gänge sollen es heute auch für uns sein.

Das Restaurant selbst auf der Bel Étage des Hotels ist klassisch elegant eingerichtet. An diesem moderat warmen Tag nehmen die meisten Gäste, so wie wir, allerdings auf der Terrasse Platz. Sehr viel angenehmer kann man es, mit Blick auf den Rhein, kaum treffen.

Zum Apéritif werden die ersten Snacks gereicht. Ein cremiger Räucheraalsalat im Rote Bete-Knusperröllchen mit Petersiliencreme sowie ein Tatar auf Brioche mit Gänselebereis zeigen bereits, wie elegant und präzise hier gearbeitet wird. Ein sehr feiner und erfreulicher Auftakt.

Apéros
Apéros

Auch die beiden frisch gebackenen Brote, ein klassisches Baguette sowie ein kompakteres Sauerteigbrot, können sehr überzeugen. Vor allem das Baguette finde ich, zusammen mit der ausgezeichneten gesalzenen Butter, ganz hervorragend.

Brot, Butter & Olivenöl
Brot, Butter & Olivenöl

Bevor es mit dem eigentlichen Menü beginnt, schickt die Küche auch noch ein Amuse Bouche in Form eines Tatars von der Gelbschwanzmakrele mit Blumenkohl in Texturen und Salzzitronen-Blumenkohl-Eis. Das Tatar ist relativ mild abgeschmeckt, das Eis zeigt tatsächlich eine leicht salzige Note, die dem Fisch aber gut steht. Eine kleine, feine Fingerübung.

Amuse Bouche
Amuse Bouche

In der Vorspeise serviert Tobias Schmitt bretonischen Hummer auf zweierlei Art, als marinierte Schwanzstücke und cremigen Salat. Beides ist elegant in Rundform gebracht und wird begleitet von aromatischen kleinen Tomatillos, Avocadocreme und Salty Fingers sowie einem grünen Gazpachoeis. Angegossen wird noch ein klarer, intensiver Tomatenfond. Dies ist ein elegantes, sommerliches Gericht, das gelungen zwischen der Süße des Hummerfleisches und den cremigen Elementen changiert.

Zweierlei vom Europäischem Hummer | konfierte Schwanzstücke & Hummersalat eingelegte gelbe Tomaten | Avocadocreme | Salty Fingers | klarer Tomatensud | Burrataespuma | grünes Gazpachoeis
Zweierlei vom Europäischem Hummer | konfierte Schwanzstücke & Hummersalat eingelegte gelbe Tomaten | Avocadocreme | Salty Fingers | klarer Tomatensud | Burrataespuma | grünes Gazpachoeis

Weiter geht es mit Saibling als marinierte Scheiben und als Tatar. Das hübsche Arrangement wird komplettiert mit kleinen Zwiebel- und Lauchsegmenten mit Röstzwiebelcreme. Die Fischmenge ist zugegebenermaßen etwas sparsam portioniert, aber den entscheidenden Kick bekommt dieser Gang ohnehin durch den angegossenen Saiblingsfumet mit sehr prägnantem Geschmack, der konzentriert eingekocht ist und eine leicht gebundene Konsistenz aufweist. Sehr gelungen.

Zweierlei vom Saibling | gebeizte Tranchen & roh mariniertes Tatar | weiße Zwiebel | Ofenlauch | Bärlauchknospen | Saiblingsfumet | Weizengrasöl
Zweierlei vom Saibling | gebeizte Tranchen & roh mariniertes Tatar | weiße Zwiebel | Ofenlauch | Bärlauchknospen | Saiblingsfumet | Weizengrasöl

Im Hauptgang gibt es auf den Punkt gegarten Kalbsrücken mit einer schönen Kruste, begleitet von recht bissfester Petersilienwurzel, Artischocken und Kräuterseitlingen. Wird ja mittlerweile häufig noch ein geschmortes Stück vom Tier mitserviert, reicht Schmitt knuspriges Kalbsbries sowie Kalbszunge. Ich finde das eine ganz wunderbare Abwechslung und schöne Produktvariation, zumal vor allem Zunge ein völlig zu Unrecht vernachlässigtes  Stück ist.

Das ohnehin schon abwechslungsreiche Ensemble wird ergänzt durch Béarnaise-Espuma und einen gut reduzierten, aromatischen, aber nicht zu dominanten Kubebenpfefferjus. Dieser Teller ist sehr aufwändig, präzise und sehr stimmig gearbeitet.

Deutsches Milchkalb | gebratener Rücken mit Röstzwiebel-Pinienkruste | gebackenes Bries | glasierte Zunge | Petersilienwurzel | Artischocke | gebratene Kräutersaitlinge | Sauce Béarnaise Espuma | Kubebenpfefferjus
Deutsches Milchkalb | gebratener Rücken mit Röstzwiebel-Pinienkruste | gebackenes Bries | glasierte Zunge | Petersilienwurzel | Artischocke | gebratene Kräutersaitlinge | Sauce Béarnaise Espuma | Kubebenpfefferjus

Auch das Dessert lässt sowohl in Präsentation als auch Geschmack im bisher schon hohen Niveau nicht nach. Eine Lemontarte, pochiert, wobei ich mich frage, wie das bei einer Tarte funktioniert, weist einen typischen Eigengeschmack auf. Dazu gibt es recht weiches Baiser, gefüllt mit Olivenölemulsion, Crumble von Zitronenmadeleines und ein Büffelricottaeis. Angegossen wird ein eher dezenter Basilikumsud. Hier gibt es vor allem ein feines Spiel von Säure und Süße, die vor allem von den Baisers, die auch auf die Tarte aufdressiert wurde, kommt. Das ist elegant, sehr ästhetisch arrangiert und macht an einem Sommertag viel Spaß.

Pochierte Lemontarte | Büffelricottaeis | Olivenölemulsion | gebackene Zitronenmadeleine | Basilikumsud
Pochierte Lemontarte | Büffelricottaeis | Olivenölemulsion | gebackene Zitronenmadeleine | Basilikumsud

Mit ein paar Petits Fours, darunter Salted Caramel, Whiskey-Praline, Nougat, Fudge und Mango-Maracuja-Praline mit Original Beans-Schokolade, geht ein mehr als angenehmer Lunch zu Ende.

Petit Fours
Petit Fours

Auch wenn das umfangreichere Abendmenü mit noch ausgefeilteren Kombinationen und höherwertigen Zutaten lockt, hatten wir nicht das Gefühl, das für das deutlich preisgünstigere Mittagsmenü am Aufwand gespart wird. Damit ist es ein mehr als gelungener Einstieg, um die Küche von Tobias Schmitt kennenzulernen, die sich auf klassischem Fundament bewegt, aber viel Kreativität und Abwechslungsreichtum mitbringt. Der Fokus liegt hierbei eindeutig auf harmonischem Wohlgeschmack und nicht auf Polarisierung.

Die Weinkarte ist gut sortiert und folgt dem recht anspruchsvollen Preisniveau, aber mit etwas Glück kann man hier durchaus auch die ein oder andere Offerte finden. Der Service, geleitet von Marleen Kaufhold und Sommelier Sebastian Lisges, agiert professionell und aufmerksam, aber mit einem angenehm lockeren Touch.

So marschieren wir gut gesättigt und gut gelaunt zurück zum Bahnhof. Die Stadt selbst verleitet jetzt nicht zwingend dazu, sich noch viel anschauen zu müssen. Und sehr viel besser kann es heute ohnehin nicht mehr werden. Also machen wir uns zurück auf die dreistündige Fahrt, die noch ganz entspannt beginnt, aber für viele Reisende in der letzten Stunde zu einer echten Herausforderung wird, wenn schon der Lokführer die Zusteigenden in der „Sardinenbüchse“ begrüßt. Gut, dass wir einen Sitzplatz haben. Und die Erinnerung an einen gelungenen Mittag.

Details

Restaurant: Favorite
Adresse: Karl-Weiser-Straße 1, 55131 Mainz
Öffnungszeiten: Mittwoch – Samstag: 12.00 bis 14.00 Uhr und 18.30 bis 21.00 Uhr
Sonntag - Dienstag: Ruhetag
Website: www.favorite-mainz.de/genuss-kulinarik/sternerestaurant/

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Kommentare

  1. Carsten am 24. August, 2023 um 10:56 Uhr.

    So ein Genießertrip wäre hier bei uns im Münsterland mit dem Rad erledigt worden, aber mit dem Zu g durchs Rheintal zu diesem schönem Lunch macht natürlich auch ganz viel Spaß!

  2. Christa Pfüller am 26. August, 2023 um 14:17 Uhr.

    Was für ein prächtiges Essen für kleines Geld! Köstlichkeiten am laufenden Band -von feinsten Starters bis zu Petits Fours der Spitzenklasse – alles halb geschenkt. Wie gern hätte ich mit Ihnen am Tisch gesessen!
    Meine Gedanken bezüglich Wirtschaftlichkeit hätte ich tunlichst für mich behalten, schließlich kann kein `normales` Restaurant so etwas Unglaubliches bieten. Das geht nur, wenn ein florierendes Hotel dahintersteht. Das besternte Restaurant ist Werbeträger, die nicht verkauften Edelprodukte im Abendgeschäft werden in den Lunchmenüs verarbeitet. Das schafft allerdings eine katastrophale Konkurrenzsituation für jeden Mitbewerber, der nicht subventioniert wird.
    Jedenfalls sind die Küchenleistungen unter der Regie von Herrn Schmitt beeindruckend. Schade, dass mein Dorf Hosszúhetény so weit von Mainz entfernt ist,

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