Le Moissonnier, Köln
Am 27. Oktober 2023 in Deutschland | 1764 Aufrufe | 1 Kommentar
Der Schock saß tief, als Vincent Moissonnier das Ende des „Le Moissonnier“ verkündete. In keinem Restaurant sind wir länger Gäste gewesen, in keinem haben wir unseren Jahrestag oder Geburtstage häufiger mit einem wunderbaren Essen gekrönt. Der Schock war indes nur kurz, denn dass es mit neuem Konzept weitergehen würde, war zumindest ein Trost.
Das neue „Moissonnier“ ist jetzt ganz offiziell kein Restaurant mehr, sondern ein Bistro, das auch nur noch mittags bis in den Nachmittag geöffnet ist. Reserviert werden kann nur für die Zeit ab 12 Uhr, wenn man wahlweise den Plat du Jour oder ein Hauptgericht bestellt. Danach, also so ab 14.00 Uhr kommt man einfach vorbei und muss halt schauen, ob es einen Platz gibt. Aber das scheint, soweit wir das nach unseren ersten Besuchen beurteilen können, kein Problem zu sein.
Als wir das erste Mal das Restaurant, pardon Bistro, betreten, stellt sich ein wohliges Gefühl ein. Denn auf den ersten Blick hat sich so viel nicht verändert. Das Mobiliar wurde etwas aufgefrischt, im Eingangsbereich ersetzen zwei rustikale Holztische die bisherigen kleinen Tische. An der Theke wurden einige zusätzliche Plätze geschaffen, wo es sich, das können wir bestätigen, auf Barsesseln sehr bequem sitzen lässt.
Beim Essen ist die Auswahl gar nicht so klein. Vom liebevoll mit französischer Schleife drapierten Schinkenbaguette bis zur hausgemachten Foie Gras, der Fischsuppe und dem bekannten isländischen Kabeljau gibt es einfachere und aufwändigere Gerichte, dazu Austern, Muscheln und Krevetten. Und natürlich den täglich wechselnden Plat du Jour und eine ebenso täglich wechselnde Tarte du Jour.
Für unseren ersten Besuch kommen wir ohne Reservierung und haben Glück, denn der Laden brummt wie eh und je. Aber ein Tisch ist frei und so bestellen wir einige Kleinigkeiten und genießen die lebhafte Atmosphäre, die wir so vermisst haben.
Downsizing demonstriert man bereits beim Brotkorb, der deutlich machen soll, dass im Vergleich zu früher jetzt auch eine Brotsorte reicht. Na ja, so ganz klappt das nicht, denn neben dem wie immer ausgezeichneten Baguette gibt es auch noch ein Schwarzbrot.
Mein Mann startet in sein spätes Mittagessen mit einer kleinen Portion Miesmuscheln, die ganz klassisch im Topf und mit einem aromatischen Weißweinsud kommen. Ein paar Zwiebeln und Kräuter, mehr braucht es nicht. Für gerade mal mittlerweile 12 Euro eine dann doch beachtliche Menge und, wie sollte es hier auch anders sein, von fabelhafter Qualität.
Ich beginne mit der Pissaladière, einem dünnen, knusprigen Teig, der mit Scheiben vom Gelbflossenthunfisch, konfierten Zwiebeln und Anchoïade belegt ist. Das kombiniert auf wunderbare Weise Süße und Salzigkeit und besticht mit ausgezeichneter Qualität des Thunfisches.
Wenn das Duo Eric Menchon / Vincent Moissonnier einen Salat von Krebs und Taschenkrebs mit Mayonnaise auf die Karte setzt, weckt das auf jeden Fall meine Neugier. Und so bestelle ich das gleichzeitig mit. Der Salat setzt das gezupfte Krebsfleisch gut in Szene, ohne es in Mayonnaise zu ertränken. Einige fruchtige Tupfer und Kräuter kontrastieren die Cremigkeit, aber vor allem die Nordseekrabben machen dies dann zu einer äußerst feinen Version eines Krabbencocktails.
Die Tarte du Jour ist an diesem Tag eine Blaubeertarte. Die ist genau so, wie sie sein soll. Intensiv fruchtig und ohne Schnickschnack.
Ich versuche das Tiramisu von Olivier Toussaint, dem Chef Pâtissier. Es ist eine leicht dekonstruierte Version mit einem fluffigen Biskuitteig, ebenso luftiger Creme und Kakao-Knusperblättern. Dazu passt ganz ausgezeichnet das Kaffeeeis. Es ist ein Dessert, das natürlich nicht die Komplexität früherer Menükreationen erreicht, aber doch deutlich über normalem Bistrostandard liegt.
Bei diesem ersten Spontanbesuch saßen wir wahlweise grinsend oder still in uns hineinlächelnd, weil es so schön war, diese wunderbare Atmosphäre aufzusaugen und das Treiben zu beobachten. Es war die Freude darüber, dass dieser Ort sich seinen Zauber hat erhalten können. Und zack, steht die Reservierung für die kommende Woche. Es gibt nur noch Plätze am Tresen, aber auch die nehmen wir mit Kusshand.
Und starten mit einer Auswahl verschiedener Austern, die von Vincent Moissonnier höchst selbst geöffnet und mit entsprechenden Beschriftungstäfelchen versehen werden.
Überhaupt legt der Chef im neuen Konzept bei den Vorspeisen selbst viel Hand an. Auch meine Venusmuscheln sortiert er selbst aus.
Beim ersten Besuch bestellte sich zwei Tische weiter ein Paar die Coca Catalane, was nicht nur an unserem, sondern auch am Nebentisch zu unglaublichem Speichelfluss führte. Auf einem gerösteten Landbrot reibt Monsieur Moissonnier Tomate, belegt es mit eingelegter Paprika vom Eifeler Biohof Frings und mit Sardellen aus der Provence. Etwas Pfeffer drauf und fertig ist ein Genuss, wie er einfacher, aber auch besser kaum sein kann.
Der Plat du Jour ist heute, es ist Freitag, natürlich ein Fischgericht und zwar gebratener Blauleng auf einer Sauce Porquerolaise. Diese Sauce basiert auf Zitrone, Kapern, Muscheln, Meeresfrüchten und Kräutern. In der Staub-Kokotte findet sich die Sauce in passierter Form, im separaten Schälchen dann in gröberer Form gemischt mit Pak Choi und der mit Parmesan aromatisierten Polenta. Die Sauce weist einen sehr prägnanten Meeresfrüchtegeschmack auf. Der Fisch ist wunderbar fest und sehr schön gebraten. Die Beilage originell und sehr passend. Auch wenn es nur ein separates Schälchen ist und nicht mehr eine Batterie von Satellitentellern, kommt man nicht umhin festzustellen, dass man das so, auf Tellern angerichtet, auch früher hätte servieren können. Ein ausgezeichnetes Gericht.
Mich lacht auf der Karte die Ballotine von der ausgelösten Wachtel an. Zum einen mag ich Wachtel sehr gern und zum anderen freue ich mich, wenn es solche Zubereitungen gibt, ähnlich wie Galantines oder klassische Pâté en Croûte (die hier übrigens auch auf der Karte steht). Die Ballotine ist gefüllt mit Morcheln und Pfifferlingen. Ich mache auch noch etwas Hackmasse aus. In jedem Fall ist das angenehm würzig und mit der Morchelsauce wird dies zu einem absoluten Wohlfühlgang. Separat gibt es einen vorzüglichen Waldorfsalat. Ich weiß nicht, wann ich das letzte Mal einen gegessen habe. Aber wenn er jedesmal so gut wäre wie hier, stünde er sicher häufiger auf dem Speiseplan.
Neben einer Tarte du Jour gibt es auch ein Dessert du Jour, das heute ein Baba au Rhum ist. Der ist so, wie er sein muss: saftig, gut getränkt und mit schöner Vanillesahne.
Käse von Maître Antony gehört seit jeher zum Programm im „Le Moissonnier“. Viele Worte muss man darüber auch nicht verlieren. Es ist einfach eine Klasse für sich.
Was soll man sagen? Die Geschichte geht weiter – zum Glück! Wenn man im einzigartigen Ambiente des „Le Moissonnier“ sitzt, ist fast alles noch genau so, wie man es kannte. Die Stimmung ist ausgelassen und lebhaft. Es ist weiterhin eng. Man sitzt mit den anderen Gästen mehr oder weniger auf Tuchfühlung und der Service jongliert auch weiterhin durch die engen Gänge. Es ist einfach toll.
Die Gerichte sind einfacher konzipiert, aber nicht weniger anspruchsvoll. Dass Eric Menchon auf einmal schlechter kochen würde, war ohnehin nicht anzunehmen. So ist das „Moissonnier“-Feeling dasselbe, nur dass es sich jetzt eben auf die Tageszeit beschränkt. Uns kommt das entgegen, denn wir gehen zunehmend gerne mittags essen und haben dafür mittlerweile auch unter der Woche die Zeit.
Die ursprünglichen Öffnungszeiten von Mittwoch bis Samstag hat man mittlerweile um den Dienstag erweitert. Ganz offenbar kommen die Kölner schlichtweg nicht ohne das „Moissonnier“ aus. Das schlägt sich auch in den Preisen nieder, die binnen kurzer Zeit merklich angezogen haben. Auch das ausgeweitete Take Away-Angebot, das man mittlerweile bundesweit anbietet, scheint gut zu laufen. So hat das Team zwar mutmaßlich gut zu tun, aber dadurch, dass das zeitraubende Abendgeschäft weggefallen ist, ist man auch dem Anspruch, gute und zeitgemäße Arbeitsbedingungen zu schaffen, sicher ein gewaltiges Stück entgegen gekommen.
Bevor wir gehen, haben wir bereits für den nächsten Besuch reserviert. Das wird dann wieder ein Geburtstag sein. Die Tradition kann also doch fortgeführt werden.
Details
Restaurant: | Le Moissonnier |
Adresse: | Krefelder Str. 25, 50670 Köln |
Öffnungszeiten: | Dienstag - Donnerstag: 12.00 - 16.00 Uhr Freitag - Samstag: 12.00 - 17.00 Uhr Sonntag + Montag: Ruhetag |
Website: | www.lemoissonnier.de |
Schlagworte
Bistro, Eric Menchon, französisch, Köln, Le Moissonnier, Plat du Jour, Vincent Moissonnier
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Solche Orte sind einen Besuch wert. Sie müssen lediglich Ihre Kreditkarte mitnehmen, denn bei so gutem Essen kann die Rechnung hoch ausfallen 🙂