Mraz + Sohn, Wien

Die Entscheidung, ob man ein Restaurant mag oder nicht, fällt oft schon, bevor man den ersten Happen gegessen hat. Im Mraz + Sohn ist das so. Dass man klingeln muss, um Einlass zu bekommen, ist auch schon die einzige Hürde. Denn ist man erst mal eingetreten, wird man von einem regelrechten Spalier von Mitarbeitern so herzlich begrüßt, als haben alle nur auf dein Kommen gewartet. Und schon das Lächeln eines jeden Einzelnen ist Versprechen, Dir einen wunderbaren und unterhaltsamen Abend zu bereiten.

Es ist unser dritter Besuch hier und zwischenzeitlich hat die Küche den zweiten Michelin-Stern bekommen. Ich erwarte aber gar keine besondere Veränderung, denn auf dem Niveau habe ich das Mraz + Sohn auch vorher schon gesehen. Und unverändert ist auch, dass der erste Gruß dem Gast quasi aus einem Blumenstrauß gereicht wird, diesmal ein Müsliriegel, den man aus einer Sonnenblume pflückt. Keine Spur allerdings von staubtrocken, denn der Riegel ist saftig und bekommt durch die Creme von geräuchertem Brimsen, einer Art Schafskäse, der in Osteuropa verbreitet ist, eine schöne Süffigkeit.

Sonnenblumen-Müsliriegel / geräuchter Brimsen
Sonnenblumen-Müsliriegel / geräuchter Brimsen

In zügiger Abfolge folgen drei weitere Grüße, zunächst Austern mit japanischem Lauch, Avocadocreme und einem Schaum von Ayran, der mit Kren abgeschmeckt ist. Das Jodige der Auster ergänzt sich gut mit dem leicht salzigen des Ayrans. Kren steuert Schärfe bei und die Avocadocreme puffert alles perfekt ab. Wunderbar!

Avocado / Auster / Kren-Ayran
Avocado / Auster / Kren-Ayran

Der nächste Gruß kombiniert zweierlei Minitomaten mit Buschbasilikumblättern und einer Miso-Olivenölvinaigrette. Das ist so präzise in den Aromen, dass man sich fast wundert, wie fabelhaft Tomaten und Basilikum noch schmecken können.

Zweierlei Minitomaten / Buschbasilikum
Zweierlei Minitomaten / Buschbasilikum

Zum Abschluss noch ein Stück Sot l’y laisse vom Schwarzfederhuhn, das im Backerbsenteig ausgebacken wurde und mit etwas Mangomayonnaise getoppt ist. Saftig, würzig und erneut enorm süffig.

Sot l'y laisse vom Schwarzfederhuhn im Backerbsenteig, Mangomayonnaise
Sot l'y laisse vom Schwarzfederhuhn im Backerbsenteig, Mangomayonnaise

Mit dem Studium der Karte muss man sich nicht lange aufhalten. Man wählt zwischen 4, 6 oder 9 Gängen, schließt aus, was man nicht mag oder verträgt und los geht es. Später, wenn man zum Abschied die Menükarte bekommt (oder, weil man neugierig war, die Homepage befragt), wird man feststellen, dass Markus Mraz nichts von seiner auch wortreichen Verspieltheit verloren hat. Noch immer bekommen seine Gerichte oft assoziative Bezeichnungen und manchmal auch nur alberne Wortspielereien. Aber all das ist auch Ausdruck dessen, wie die Gerichte präsentiert werden: hochästhetisch, manchmal verspielt, immer aber mit einem Augenzwinkern.

Noch bevor es mit dem eigentlichen Menü beginnt, folgt noch ein separater Brotgang. Es ist eine brüllheiße Laugenbrezel und ein Schälchen reduzierter Topfen mit Schnittlauch. Durch die wie auch immer geartete Reduzierung bekommt der Quark eine relativ feste, aber noch gut streichfähige Konsistenz. Überraschender allerdings ist die Aromatik, die wie leicht geräuchert und entsprechend charaktervoll erscheint.

Der erste offizielle Gang bringt uns eine derzeit scheinbar sehr trendige Zutat auf den Teller: Fichtensprossen, die zu einem Tatar vom Beiried serviert werden. Sind uns diese doch erst vor kurzem in Hannover im „Handwerk“ begegnet, seinerzeit zum Spargel. Auch diesmal sind sie optisch markant, aber geschmacklich erfreulich zurückhaltend und weder penetrant noch dominierend. Den letzten Schliff erhält das Gericht aber durch die Norialgen-Elemente und vor allem den Fichten-Apfelsud, der dem Ganzen eine säuerlich erfrischende Note gibt. In diesem Kontext ungewohnt, aber sehr passend.

Fichtentatare / Fichte, Ox
Fichtentatare / Fichte, Ox

Das frische Element, ergänzt um eine leicht scharfe und jodige Note nimmt der nächste Gang auf: Tatar vom Stör mit Daikonrettich und etwas Ossietrakaviar. Ebenfalls sehr gut.

Ge(stör)t / Stör, Daikonrettich
Ge(stör)t / Stör, Daikonrettich

Es folgt Spargel, selbstverständlich der aus dem naheliegenden Marchfeld, einem der berühmtesten Gemüseanbaugebiete Österreichs. In grün und weiß liegt er da zusammengesetzt zu einer Stange auf dem Teller. Eine Stange nur und doch bleibt dieser Gang nachhaltig in Erinnerung, denn die dazu gereichte Yuzubuttermilchsauce ist zum Niederknien. Ein Traum an Cremigkeit und Geschmacksfülle. Das könnte glatt meine Lieblingssauce zum Spargel werden – und zu manch anderem auch noch.

Grün in Weiss / Spargel, Yuzubuttermilchsauce
Grün in Weiss / Spargel, Yuzubuttermilchsauce

Zweiter Akt des Spargelgangs ist ein unscheinbar wirkender Sud, der es ebenfalls in sich hat. Der Sud aus Spargelschalen ist mit Yuzu aromatisiert und erhält durch geräucherte Butter eine überraschende Reichhaltigkeit. Erneut sehr erstaunlich.

Sud von Spargelschalen, Yuzu, geräucherte Butter
Sud von Spargelschalen, Yuzu, geräucherte Butter

Mit Karotte und Geflügelleber wird es insgesamt etwas süßer. Damit es aber nicht zu eindimensional wird, wird die Karotte einmal kross in Sesamöl ausgebacken und schiebt das Gericht damit partiell in eine etwas asiatischere Richtung. Die Geflügellebercreme ist schaumig und würzig und kann damit ebenfalls einen Kontrapunkt zur Süße liefern. Der dazu gereichte Brioche-Würfel ist mir persönlich etwas zu trocken. Meinem Mann hingegen ist er perfekt.

Der Fischgang gefällt mir bereits optisch sehr gut. Der Seesaibling befindet sich unter zweierlei Kolhrabischeiben und einigen Verbene-Blättchen. An der Seite eine Mandel Beurre Blanc. Das alleine würde mir schon genug Genuss versprechen, aber es wird auch so noch besser. Zwischen Fisch und Kohlrabi befindet sich krosse Hühnerhaut. Nun geht diese Kombination ja ohnehin sehr gut miteinander, aber im Zusammenspiel mit der cremigen Sauce und den knackigen Kohlrabischeiben wird das komplex und abwechslungsreich.

Seesaibling / Kohlrabi, Verbene, Mandelbeurreblanc
Seesaibling / Kohlrabi, Verbene, Mandelbeurreblanc

In einem Zweisterne-Restaurant einen Hauptgang im Selbstbausatz zu bekommen, ist für uns auch Premiere. Aber um es vorweg zu nehmen: es wird ein köstliches Vergnügen. Wir basteln uns einen Wrap aus Pfefferblatt, Joghurt, Reisblatt, Rhababerchutney und einem unglaublich krossen Stück Schweinekinn. Besteck braucht es dafür nicht und herrje – ist das lecker! Diese Art der Präsentation muss man sich erst mal trauen, aber es passt hierher und wer sich darauf einlässt, hat nicht nur Spaß, sondern wird auch mit einem vielschichtigen und trotzdem umkomplizierten Genuss belohnt.

Die Inszenierung des Käsegangs gehört im Mraz + Sohn ebenfalls zu den festen Programmpunkten. Der Brotwagen ist gefühlt zwar nicht ganz so üppig bestückt wie im Steirereck, aber mit guten 16-20 Sorten ist man auch hier dabei. Und der Käsewagen bietet auf drei Etagen ca. 40 gut gereifte Sorten, aus denen Manuel Mraz eine schöne Auswahl zusammenstellt. Obwohl ich Käse am liebsten pur esse, kann ich bei der Auswahl an Condiments regelmäßig nicht widerstehen. Sei es der Trüffelhonig, die eingelegten Rosinen oder die Chilimousse. Hier bekommt Käse eine würdige und große Bühne.

Als Übergang zum süßen Teil schickt die Patisserie als Refresher eine kleine Praline, die (wenn ich mich recht erinnere) mit Yuzusorbet gefüllt und mit Erdnussbutter getoppt ist.

Refresher: Yuzu(?)sorbet, weiße Schokolade, Erdnussbutter
Refresher: Yuzu(?)sorbet, weiße Schokolade, Erdnussbutter

Im Pré-Dessert wird es mit einem sehr cremigen Basilikumeis auf Misobröseln nur bedingt süß. Vor allem die zahlreichen Basilikumblätter sorgen dafür, dass wir uns noch im vegetabilen Bereich bewegen. Das Eis alleine für sich genommen ist aber großartig.

Basilikum / Eis, Misocrumble
Basilikum / Eis, Misocrumble

Dass sich Desserts heutzutage erst mal verstecken und vom Gast zerstört werden wollen, ist ja zur Mode geworden. Das ist auch hier nicht anders, denn erst unter der dünnen Teigplatte, die leider etwas zäh am Gaumen klebt, verbirgt sich das Allerlei aus Haselnuss, Kerbelwurzel und Drachenfrucht. Das ist nicht unbedingt mein Lieblingsgeschmacksakkord, aber schmecken tut es dennoch.

Anstelle einer klassischen Petits Fours-Parade schickt die Patisserie zum Schluss noch ein Mini-Dessert in Form einer dekonstruierten Sacher-Torte, die sehr gekonnt alle typischen Geschmackselemente aufnimmt.

Petits Four: Sachertorte dekonstruiert
Petits Four: Sachertorte dekonstruiert

Wieder geht ein abwechslungsreicher und durch die Bank köstlicher Abend zuende. Aus dem mit ca. 1400 Positionen bestückten Weinkeller stellt Simon Schubert eine individuelle, spannende und in jedem Fall hochwertige Weinbegleitung zusammen. Auch hier haben wir bei unseren bisherigen Besuchen noch nie eine Enttäuschung erlebt.

Weinbegleitung
Weinbegleitung

Mit diesem Abend hat das Mraz + Sohn seine Position als mein persönliches Lieblingsrestaurant in Wien einmal mehr untermauert. Ungebremste Kreativität trifft auf überraschende Geschmackserlebnisse und höchst entspannte Atmosphäre. Mein Mann stellte fest, dass alle Mitarbeiter, ob im Service oder die Köche, die auch oft an den Tisch kommen, das Glänzen in den Augen haben, das man hat, wenn man Begeisterung für das empfindet, das man tut. Je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr finde ich: Er hat Recht!

Menükarte
Menükarte

Details

Restaurant: Mraz + Sohn
Adresse: Wallensteinstrasse 59, A-1200 Wien
Öffnungszeiten: Montag - Freitag 19:00 - 00:00
Samstag + Sonntag: Ruhetage
Website: www.mraz-sohn.at

Schlagworte

, , , , ,

Verwandte Artikel


Kommentare

  1. kuechenreise am 28. Mai, 2017 um 11:31 Uhr.

    Das klingt nach einem gelungenen Abend! Bei Mraz bin ich auch immer sehr gerne zu Besuch, wenn ich in Wien bin; es ist schön zu sehen, wieviel Kreativität das Küchenteam hat, und wie gut es diese gelungen auf den Teller bringt!

Dein Kommentar