
NeoBiota, Köln
Am 11. Februar 2023 in Deutschland | 2413 Aufrufe | 1 Kommentar
Ein Michelin besterntes Restaurant, das an fünf Tagen in der Woche morgens À la Carte-Frühstück der ungewöhnlicheren Art und abends Kreativ-Menüs, wahlweise mit Fisch/Fleisch, vegetarisch oder vegan, anbietet sowie mit Sonja Baumann und Erik Scheffler gleich zwei gleichberechtigte Küchenchefs – mit diesen Zutaten schafft man es nicht nur in die ARD-Serie „Am Pass“, sondern hat sich seit bereits fünf Jahren auch als feste kulinarische Größe in Köln etabliert. Auch und gerade das Frühstücksangebot ist so beliebt, dass Reservierungen für samstags mittlerweile bis in den Sommer reichen.
Unser Interesse gilt heute aber, nach längerer Zeit, mal wieder dem Abendmenü. Neu ist, dass man sich bereits bei der Online-Buchung darauf festlegen muss, welches der drei Menüs und wie viele Gänge man essen möchte. Das ist sicher vorteilhaft für die Planung, lässt aber so gut wie keinen Raum für spontane Entscheidungen vor Ort. Kein großes Ding, aber wenn sich das Menü zwischen Buchung und Besuch ändert und man dann doch Lust auf bestimmte Gerichte hat, sollte man gleich zu Beginn des Besuches klären, ob doch noch was möglich ist.
Wir haben uns im Vorfeld auf sechs Gänge (135€) festgelegt. Und das Menü startet mit einigen fein gearbeiteten Snacks. Ein Sanddorn-Eiskonfekt hat erstaunlich viel Wumms, während eine Kartoffelsphäre auf einem Cracker mit schwarzem Knoblauch eher mild ausfällt. Schön auch die Lauch-Madeleines mit eingelegtem Bärlauch sowie die Tartelette mit Brokkolicreme und verschiedenen Brokkoli- und Blumenkohlsorten, die allesamt einen sehr typischen Geschmack zeigen. Etwas herb und jodig präsentiert sich die aufgeschlagene Austerncreme. Insgesamt ein schöner Querschnitt verschiedener Aromen und reizvolle Präsentation vegetarischer Petitessen.
Zu den Klassikern im „NeoBiota“ gehört seit jeher das Wikinger Müsli, das regelmäßig mit dem Motto angekündigt wird, das das Grundthema hier beschreiben soll. Löffel rein, glücklich sein gilt in diesem Fall für den warmen Meerrettich-Espuma mit Dill und knuspriger Fischhaut, unter der sich Forellenkaviar und Gurke befinden. Hier fügt sich in der Tat alles zu einem unkomplizierten, aber keineswegs banalen Geschmacksakkord zusammen. Das macht viel Spaß.

Der erste Gang des Menüs ist eine Pistazien-Pâté auf Basis von Pistazien und Nüssen von recht fester, mundfüllender Konsistenz. Dazu gibt es Pistazien-Brotcrumble, Radicchio für eine herbe Note, Kaviar von Fingerlimes und eingelegte Kumquats für den säuerlichen Touch. In der Mitte des Tellers befindet sich Lorbeerholzöl, das mit einem Zitrussud aufgegossen wird, der ordentlich Säure ins Spiel bringt. Dieses vegane Gericht ist für sich genommen sehr eigenständig und abwechslungsreich, so dass es für mich nicht die Assoziation zu Stopfleber gebraucht hätte, die man dem Gang mitgibt. Auch wenn es die Intention war, ein ähnliches Geschmacksbild nachzubilden, ist das für mich zu unterschiedlich – aber wie gesagt, für sich alleine genommen, sehr gut.

Die Forelle aus der Eifel wurde nach Ike Jime-Art getötet und dann für acht Tage in einer Matjesbeize eingelegt. Als Mitspieler dienen hier rote Johannisbeeren, gefriergetrocknete schwarze Johannisbeeren und Rauchmandeln sowie ein Sud vom Johannisbeerstrauch. Das schmeckt gut, ist aber sehr säurebetont und kräftig und lässt daher dem feinen Fisch wenig Raum, um zu wirken.

Beim Brot wird das „NeoBiota“ ganz lokal, indem es Trester vom Bierbrauen aus der Malzmühle verwendet. Das gibt ihm einen kernig rustikalen Geschmack. Gut dazu passt die charaktervolle Markbutter sowie der würzige Aufstrich von Schmorgemüse. Das ist so geschmackvoll, dass es auch tatsächlich einen eigenständigen Gang verdient.

Mit einem gegrillten Stör geht es weiter. Der Fisch ist leicht glasig und kommt mit Kapern in Variation. Dazu gibt es noch samtweiches Spinatpüree, Karotte und einen würzigen Karottensud als kräftige Nebendarsteller. Hier greift alles sehr gut ineinander und ergänzt sich prima.

Die folgende Fondant-Kartoffel wurde erst gebraten und dann in Brühe weitergegart. Rosenkohl gibt es pur und eingelegt, Grünkohl in frittierter Form. Leinsaat und Creme sorgen für weitere texturelle Abwechslung und auch aromatisch hält sich das nicht zurück. Es ist würzig mit feiner Schärfe. Auch wenn hier Speck mit angekündigt ist, bleibt das für mich in erster Linie ein überzeugender Gemüsegang.

Die Elsässer Ente kommt erneut vom Grill. Der Gargrad ist hart an der Grenze zum Blutigen und nichts für empfindliche Gemüter. Für mich ist es gerade noch in Ordnung. Originell ist die Mole von Himbeeren und Rotkohl, in mexikanischer Manier mit guter Schärfe ausgestattet, die Jus dazu klassisch und eher mild. Großartig macht sich vor allem die Gremolata auf der Ente aus Petersilienstielen, Senfkörnern, in Entenfett gebratenem Knoblauch, Entenhaut, Zwiebeln und Sonnenblumenkernen. Hier kommt nicht nur Textur ins Spiel, sondern ein vielfältiges Spektrum an Aromen, die ausgezeichnet passen und die den Gang zusätzlich nach vorne bringen.

Als Erfrischung vor den Desserts folgt ein Sorbet aus Mädesüßblüten, das geschmacklich an Holunder erinnert. Es ist wenig süß und vor allem erfrischend. In Kombination mit den Erbsentrieben, die eine dezente süß-herbe Gemüsenote mit ins Spiel bringt, ein schönes Pré-Dessert.

Als Käsegang serviert die Küche eine Creme von Weichkäse mit Champignons, Filoteigblättern und karamellisiertem, eingelegten Rhabarber. Hier kommen Fülle, Süße und etwas Herbes zusammen. Eine tolle Kombination.

Auch wenn man es erwarten würde, ist die Ganache von Süßkartoffel und Dulce de Leche mit Haselnuss nicht allzu süß. Dafür sorgt auch das Süßkartoffelgranité, das viel Frische beisteuert.

Das finale Dessert bringt dann noch mal einen deutlich gemüsigeren Touch mit einem Eis von Topinambur und Birne sowie Topinamburchips. Preiselbeerkompott, Oxalis und Esspapier von Apfelholz komplettieren das hübsche Arrangement, das gekonnt Süßes und Herbes einbindet, ohne dabei den typischen Dessertcharakter zu verlassen. Originell und sehr gut.

Und ähnlich kreativ geht es dann auch mit den Petit Fours zu Ende. Eine Kirschpraline „rut un wiess“, die mit Kölsch gefüllt ist, was ich allerdings nicht explizit herausschmecke, spielt noch mal ganz die Lokalpatrioten-Karte.
Schön ein Sablé mit Himbeer und Rote Bete, etwas anstrengend das Gelee von Löwenzahn, das mit seiner herb-bitteren Note eher gesund schmeckt. Dafür wieder sehr gelungen der Eis-Lolly von Lorbeer, der aber aromatisch im Hintergrund bleibt.
Dieser originelle Abschluss steht stellvertretend für das gesamte Menü, das mit einem sehr eigenständigen Stil überzeugen konnte. Sonja Baumann und Erik Scheffler kreieren durchdachte Gerichte, die sich deutlich vom Mainstream abheben und eine ganz eigene Handschrift zeigen. Säure und Schärfe spielen hier zentrale Rollen. Langweilig geht es auf den Tellern wahrlich nicht zu. Und das macht schon viel Spaß.
Zu dem trägt auch das Serviceteam rund um Sommelier Volker Arndt bei, das sehr kommunikativ mit dem Gast agiert. Die Weinkarte reiht sich ein in die eigenständige Linie des „NeoBiota“ und führt auch zahlreiche Weine aus eher unbekannten Regionen. Wir waren sehr angetan von einem rumänischen Chardonnay.
Ob zum Frühstück oder zum Dinner – das „NeoBiota“ bleibt also auch weiterhin ein Ort für spannende kulinarische Entdeckungen.
Details
Restaurant: | NeoBiota |
Adresse: | Ehrenstraße 43c, 50672 Köln |
Öffnungszeiten: | Dienstag - Samstag: 10.00 - 15.00 Uhr Frühstück 19.00 - 23.00 Uhr Dinner Sonntag + Montag: Ruhetag |
Website: | www.restaurant-neobiota.de/ |
Schlagworte
Erik Scheffler, Köln, kreativ, Michelin, NeoBiota, Sonja Baumann, vegetarisch, Volker Arndt
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