Ophelia, Konstanz

Gut eine Woche zuvor saßen wir an einem Tisch mit Blick auf die Flensburger Förde am nördlichsten Ende der Republik. Heute können wir, wenn wir uns ein wenig strecken, den Bodensee erblicken, befinden uns also quasi am südlichsten Zipfel des Landes. Zwischen Glücksburg und Konstanz mag also die maximal mögliche Entfernung liegen, stilistisch liegen die Küchen von Dirk Luther und Dirk Hoberg aber gar nicht so weit auseinander.

Im „Ophelia“, untergebracht in einer stilvollen Villa als Teil des vornehmen Hotels „Riva“, ist Hoberg nun bereits seit 2010 Küchenchef und mit 18 Gault Millau Punkten sowie 2 Michelin Sternen ausgezeichnet. Damit gehört er zweifellos zur bundesdeutschen Spitze, aber er gehört eher zur stillen Fraktion von Köchen, die lieber am Herd als vor der Kamera stehen.

In dem recht arrivierten Ambiente der Jugendstilvilla mit Art Déco-Elementen überrascht neben einigen großformatigen, erotischen Gemälden vor allem die ungewöhnlich präsente Musik. Die ist zwar nicht zu laut, aber schon deutlich über dem Pegel, der ansonsten nur als kaum wahrnehmbare Berieselung dient. Hier ist es ein geschmackvoller R&B- und Pop-Mix vor allem aus den 70er und 80er-Jahren

Es wird ein Menü in maximal sieben Gängen (230€) angeboten, das bis auf fünf Gänge reduziert werden kann.

Sehr zügig werden die ersten Einstimmungen serviert und die zeigen bereits auch in der Beschreibung so viele Details, das schnell klar wird, mit welchem Aufwand hier gearbeitet wird. Sowohl die Tartelette mit Saibling als auch der Löffel mit der Variation rund um den Bodenseefelchen bringen den Eigengeschmack der Fische gut hervor und überzeugen mit frischem und leichtem Charakter.

Naturgemäß kräftiger wird es mit dem Rindertatar, Blumenkohl und Trüffel. Sind es bis hierhin noch Häppchen, die sich mit einem Bissen essen lassen, gerät der abschließende Snack etwas üppiger mit einer cremigen, asiatisch abgeschmeckten Füllung vom Duroc Schwein im Kataifi-Mantel.

All diese Kleinigkeiten sind sehr pointiert und fein gearbeitet und machen definitiv Lust auf das, was da noch kommt.

Aber bevor es mit dem Menü losgeht, legt die Küche noch ein Amuse Bouche nach, in dem leicht geräucherter und abgeflämmter Bodenseeaal mit einer Creme von grünem Curry, Bonitoflocken, gepufftem Reis für den Crunch, Brunnenkresse und einem Gelee kombiniert wird. Angegossen wird zudem noch ein sehr aromatischer Aalschaum. Hier spielen eine spürbare, aber nicht aufdringliche Schärfe und rauchige Noten ganz wunderbar zusammen mit dem kräftigen und festen Fleisch des Aals. Eine komplexe, aber süffige Angelegenheit, die einfach nur klasse ist.

Amuse Bouche: Bodenseeaal / Grüner Curry
Amuse Bouche: Bodenseeaal / Grüner Curry

Im „Ophelia“ beschränkt man sich auf ein frisch gebackenes, ordentliches Sauerteigbrot und Salzbutter, was auch völlig ausreicht.

Brot & Butter
Brot & Butter

Mit einer vielfältigen Komposition rund um die Gänseleber startet das eigentliche Menü. Die makellose Terrine ist auf einer Petersilienmousse geschichtet, darauf fein und säuberlichst aufgefächert dünne Scheiben vom Portobellopilz. Darauf wiederum ein Gänselebereis sowie eine Knusperwaffel. Himbeere sorgt als Sauce, pur und in gefriergetrockneter Form für den fruchtig, säuerlichen Kontrapunkt, Haselnuss funktioniert an dieser Stelle sowieso immer. Spannend wird die Kombination für mich vor allem durch die herbe Note, die die Petersilie hier mitbringt und, wenn auch sehr moderat, gegen allzu bekannte Gefälligkeit wirkt. Eine wohl durchdachte, wunderschön präsentierte Vorspeise, der ich lediglich einen größeren Teller gewünscht hätte.

Gänseleber / Himbeere / Petersilie / Haselnuss
Gänseleber / Himbeere / Petersilie / Haselnuss

Dünn geschnittene Scheiben von der schottischen Jakobsmuschel sind der Hauptdarsteller im folgenden Gang. Die zu einer Art Terrine geformte Scheibe thront auf einer Fenchelmousse, gekrönt von mildem Fenchelsalat, darauf wiederum ein Eis, diesmal von geräucherter Crème fraîche sowie ein mit Dillstaub aromatisiertes Knusperblatt. Als wäre das alleine noch nicht komplex genug, gibt es dazu noch eine mit Kaviar abgeschmeckte leicht gelierte Vinaigrette. Der Kaviar funktioniert hier tatsächlich mehr als Würzmittel, was dem sehr frischen und eleganten Charakter sehr gut steht. Durchgehend klasse!

Jakobsmuschel / Fenchel / Dill / Buttermilch / Kaviar
Jakobsmuschel / Fenchel / Dill / Buttermilch / Kaviar

Weiter geht’s mit einem ausgezeichneten Exemplar der Roten Garnele, geschichtet mit Gurke und ergänzt mit Schaum von Olivenöl. In einem Geleemantel als Nocke geformt ist ein Salat von Farro, einer portugiesischen Dinkelart, und Gurke. Das ist kalt und bietet daher ein schönes Textur- und Temperaturspiel.

Separat gibt es eine aus den Garnelenschalen gezogene Bisque, die für sich genommen sehr klassisch und intensiv ist, aber leider etwas darunter leidet, dass sie nur lauwarm ist. Trotzdem ein abwechslungsreiches und sehr gutes Gericht.

Beim nächsten Gang macht vor allem die Kombination aus Seeteufel und Schweinebauch neugierig. Der Fisch kommt als perfekt gegartes Stück, darauf ein Ragout aus feinst gewürfeltem Schweinebauch und Gemüse. Das ist durchaus lecker, aber der Eigengeschmack des Schweinebauchs geht hier im Ragout unter und ist kaum wahrnehmbar, dient daher mehr als texturelle Ergänzung. An der Seite eine hübsch arrangierte und mit Artischockenragout gefüllte Powerade sowie angegossen eine großartige Tomaten Beurre Blanc, die den Teller endgültig im Mediterranen verorten.

Seeteufel / Artischocke / Schweinebauch / Tomate / Parmesan
Seeteufel / Artischocke / Schweinebauch / Tomate / Parmesan

Auch beim Kalbsbries ist der Aufwand deutlich erkennbar, den die Küche betreibt. Auf einem Bett von dünn geschichteten Kalbsherzscheiben und Pfifferlingsragout findet sich gut gegartes und mit Kalbsjus glasiertes Bries, das ich mir zwar etwas knuspriger gewünscht hätte, aber auch so ist es köstlich. Außerdem sorgen Mini-Brioche-Croutons für den nötigen Crunch. Eine Kugel von gefülltem Wirsing, auch hier hat man wieder ein gewisses Faible für gelierte Beilagen, und Pomme Soufflé demonstrieren erneut das ausgezeichnete Handwerk.

Kalbsbries / Herz / Brioche / Pfifferling / Wirsing
Kalbsbries / Herz / Brioche / Pfifferling / Wirsing

Vor dem Hauptgang gibt es traditionell eine Erfrischung, hier die „Ophelia-Zitrone“, gefüllt mit Granité und Sorbet sowie Oxalis. Das ist genau das, was es sein soll: frisch und säuerlich – passt!

Ophelia Zitrone
Ophelia Zitrone

Für das Hauptgericht trennen sich bei uns am Tisch die Wege. Ich entscheide mich für die Perlhuhnbrust, die mit einer schönen Schicht vom australischen Wintertrüffel bedeckt ist, dazu eine Tartelette mit Erbsen. Die angegossene Jus ist mit Eisenkraut abgeschmeckt und wunderbar füllig und eigenständig.

À part findet sich in einer Nudel, die für meinen Geschmack etwas zu dick und zu fest geraten ist, ein gutes Keulenragout, ebenfalls mit Erbsen und Trüffeln. Beide Teller sind sehr aromatisch mit einer herausragenden Sauce.

Für meinen Mann gibt es zwei ausgezeichnete Koteletts vom Eifler Urlamm in Top-Qualität. Dazu gibt es, nahezu klassisch, eine sehr fein gearbeitete Ratatouille mit Mini-Aubergine von der Insel Reichenau.  Die Jus dazu ist sehr konzentriert, für mich fast zu sehr und mit leicht bitterem Touch. Meine bessere Hälfte sieht das mal wieder anders und ist auch damit sehr zufrieden.

Lamm / Olive / Aubergine / Zucchini / Paprika
Lamm / Olive / Aubergine / Zucchini / Paprika

Als Pré-Dessert schickt die Küche eine dekonstruierte Version eines Tirami Su. Kaffeeeis als Hauptelement, Crunch und getränkter Biskuit ergänzen diese originelle und gut gemachte Interpretation.

Pré-Dessert: Tirami Su
Pré-Dessert: Tirami Su

Mit einem Dreierlei rund um die Kirsche zeigt die Patisserie ihr ganzes Können. Eine mit Eierlikör-Panna Cotta auf Keksboden gefüllte Waffel sowie eine mit Haselnuss gefüllte Kirsche machen den ersten Teller aus, ein Spaghettieis mit Kirschsauce den zweiten sowie ein Kirschragout mit lockerer Schokoladenmousse-Kugel den dritten. Das macht alles Spaß, erlaubt viel Hin- und Herprobieren und ist sowohl geschmacklich als auch handwerklich einfach top gemacht.

Valrhona Caraibe / Kirsche / Eierlikör / Nussbutter

Dass dann auch die Petit Fours dem qualitativ nicht nachstehen, überrascht wohl kaum. Sowohl eine sehr säuerlich geratene Zitronentarte mit Baiser, als auch eine Waffel mit Schokolade und nur einem Hauch Lakritz sowie eine klassische Praline mit Salzkaramell und ein Kokos-Eiskonfekt sind gut geraten und spielen in der oberen Liga.

 

Dirk Hoberg liefert im „Ophelia“ eine sehr souveräne Leistung ab. Seine Gerichte sind ausgesprochen detailreich, dabei klug und kreativ komponiert. Trotzdem bleibt das alles immer auf einem klassischen Fundament verortet und vermeidet kontroverse Elemente und Kombinationen. Das würde das gut situierte Publikum hier vermutlich auch nicht goutieren. Dafür wissen makelloses und aufwändiges Handwerk umso mehr zu beeindrucken.

Der Service steht dem hohen Niveau, das die Küche vorgibt, nicht nach und macht seine Sache aufmerksam und mit natürlicher Herzlichkeit. Die Weinkarte ist gut sortiert, dem übrigen Preisniveau des Hauses angemessen. Günstig ist es hier also unterm Strich zwar nicht, aber der Gast bekommt dafür auch einiges geboten. Musikalische Flashbacks in die Jugend eingeschlossen.

Details

Restaurant: Ophelia
Adresse: Seestraße 25, 78464 Konstanz
Öffnungszeiten: Donnerstag - Montag: ab 19.00 Uhr
Dienstag + Mittwoch: Ruhetag
Website: www.restaurant-ophelia.de/

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