Schwarzwaldstube, Baiersbronn
Am 30. September 2023 in Deutschland | 1934 Aufrufe | 2 Kommentare
Geburtstage feiere ich gerne bei einem guten, eigentlich noch lieber einem sehr guten Essen. Was bietet sich da besser an, als in einem der besten Restaurants des Landes zu reservieren? Vor einem Jahr waren wir zu diesem Anlass bereits hier. Dieses Jahr ist es ein runder Geburtstag, ein Feiertag schließt sich an, da gönnen wir uns gleich mehrere Tage in der Traube-Tonbach. Und natürlich soll es erneut die „Schwarzwaldstube“ sein.
Der Flurfunk in diesem Haus funktioniert bestens. Nachmittags haben wir uns zu einer Weinprobe mit Stéphane Gass angemeldet und auf dem Weg dorthin begleitet er uns, nicht ohne zu gratulieren. Und auch abends am Tisch lässt es sich niemand vom Service nehmen.
Bei der Bestellung ist es, wie gewohnt, kein Problem, einzelne Gänge in den Menüs auszutauschen. Da ich etwas Reh-müde bin, entscheide ich mich für den Hauptgang des kleineren Menüs und auch ein Dessert, das es schon vor einem Jahr gab, tausche ich.
Wie immer startet der Abend zum Apéritif mit drei Einstimmungen. Ein Chip mit Lachs und Kaviar ist mild, aber ausdrucksstark. Hamachi mit Stachelbeere und Miso-Mayo gerät elegant, das Rindertatar mit Wasabikresse dafür umso kräftiger und mit milder Schärfe.
Für das Amuse Bouche variiert Torsten Michel das Thema Karotte als Sorbet, als Sud und als Chutney mit Passionsfrucht sowie als Öl vom Karottengrün. Dazu gibt es einen Thymianchip als würziges und knuspriges Element. Eine schöne vegetarische Fingerübung.
Die Vorspeise steht exemplarisch für das, was ich an der „Schwarzwaldstube“ so mag. Die Terrine von Entenleber, Wachtelbrust und Kalbsbries mit Madeiragelee ist klassisches, perfektes Handwerk, wunderbar changierend zwischen Schmelz und festeren Komponenten. Ergänzt wird dies durch gebratene Entenleber und einen Kräutersalat mit konfierter, eher knuspriger Wachtelkeule und Trüffelvinaigrette. Einfach ein toller Teller, den man in dieser Form und Qualität schlichtweg immer seltener bekommt.
Den folgenden Gang gab es in nahezu identischer Form auch bereits vor einem Jahr. Auf einem Zitronengrasspieß findet sich gegrillter Hummer. In der letztjährigen Version gab es noch Jakobsmuschel dazu. Ansonsten ist die Aromatisierung mit Muskat und Macis sowie die Kokosnussnage dieselbe. Die Sauce ist pur genossen von sehr typischem Eigengeschmack. Wenn sie sich mit dem Paprikachutney vermischt, nivelliert sich das etwas, wird aber im Gesamteindruck noch harmonischer. Statt Sellerie gibt es mit grünem Spargel und Passionsfrucht diesmal noch zwei Komponenten, die interessante Akzente setzen. Schön ist die Zitronengrasnote, die sich wie ein leichtes Parfüm über den Teller legt. Das ist alles sehr ausgewogen und gekonnt, aber in Summe sehr nah an dem Gericht vom vergangenen Jahr. Auch wenn es spannend ist zu sehen, wie Köche ihre Kreationen über die Zeit weiterentwickeln, sind die Details hier doch recht marginal.
Weiter geht es mit einem stattlichen Stück Wolfsbarsch auf Lotuswurzel. Dazu gibt es sehr knusprig gebratene Krause Glucke und eine Mousselinesauce mit Barschkarkassen und Forellenkaviar, Soja und Bonito. Das ist sehr würzig und originell. Der Gang gefällt mir klasse, vor allem weil die Beilagen den Fisch sehr eigenständig und überraschend in Szene setzen.
Mein Mann bleibt im großen Menü beim Reh, das in Medaillons mit Wacholderkruste gut und auf den Punkt gebraten ist. Die Beilagen dazu, Pfifferlinge und eine Mousseline, sind ausgesprochen klassisch, ebenso die Jus. Letztere ist auf Basis von Rehschulter und Sambalita, einem Maracujalikör, wobei die fruchtige Komponente für mich nicht erkennbar ist. Die soll wohl auch glasierte Ananas beisteuern, aber dafür ist das Stück zu klein und damit für meinen Geschmack entbehrlich.
Für mich folgen zwei Stücke exzellenten Lammrückens mit verschiedenen Pilzen. Ich mache Pfifferlinge, Austern- und Steinpilze aus. Schmorgurken sorgen für säuerlich, frische Akzente. Die Jus aus Lammfüßen und -zungen fällt sehr würzig und konzentriert aus und ich bin sehr zufrieden mit dieser Wahl.
Zum Käsewagen, der mit Sorten von Maître Antony bestückt ist, muss man nicht viele Worte verlieren. Dass sie perfekt gereift und temperiert sind, versteht sich von selbst. Schön ist, dass es relativ viele weniger bekannte Sorten gibt. Macht immer wieder Spaß.
Die süße Abteilung wird eingeleitet mit Kirschkompott auf einem Zimtsablé, dazu ein sehr cremiges Holunderweineis. Haselnüsse und Kirschganache runden dieses frische, aber trotzdem üppige Dessert ab. Geschmacklich überzeugt das sehr.
Im großen Menü folgt Mangosorbet mit intensiven indischen Gewürzen auf einem saftigen Savarin von Muscovadozucker und geeistem Espresso. Abgesehen von kleinen Details ist dies dasselbe Dessert wie schon im Vorjahr. Es überzeugt mit seiner dunklen, exotischen Aromatik, aber da ich nicht so sehr auf Kaffee in Desserts stehe und mehr Lust auf Abwechslung habe, tausche ich gegen das Dessert im anderen Menü.
Zudem reizt mich der Baba au Rhum mit Erdbeeren und Vanillecreme ohnehin deutlich mehr. Der Rum ist zwar sehr dezent eingesetzt, aber winzige Elemente von Taggiasca-Oliven geben einen würzigen Kick. Separat gibt es ein Erdbeersorbet mit Erdbeerdaiquiri, das zusätzliche Frische liefert.
Das gesamte Dessert zeigt sehr traditionelles Patisseriehandwerk, das größere Reibungspunkte vermeidet. Gut, aber auch etwas spannungsarm.
Die Petits Fours sind wie gewohnt auf hohem Niveau, wenngleich ich die Cannelés vom Vorjahr mit knusprigerer Hülle in Erinnerung habe.
Der Service ist, wie sollte es auch anders sein, von außergewöhnlicher Qualität, die Lockerheit mit Kompetenz verbindet. Nina Mihilli als Gastgeberin füllt diese Rolle vorzüglich aus, aber der alles überragende Fixpunkt ist und bleibt Stéphane Gass, der mit großer Souveränität, Eloquenz und Witz an jedem Tisch präsent ist. Es fällt schwer, sich vorzustellen, wie die „Schwarzwaldstube“ ohne ihn aussähe.
Dass Torsten Michel ein hervorragender Koch ist, steht außer Frage. Sein Menü war ohne Zweifel handwerklich und geschmacklich auf Spitzenniveau. Dennoch bleibt für mich ein Gefühl, dass hier sehr, vielleicht zu sehr auf Bewährtes gesetzt wird. Zwei Gänge, die nahezu identisch zum Vorjahr waren und auch sonst eine Küche, die sehr auf traditionelle Geschmacksbilder vertraut. Sicher erwarten Gäste hier genau das und auch ich bin ein Freund von großer Klassik. Der Wolfsbarsch mit seinen spannenden Begleitern ist ein gutes Beispiel, wie ich mir den ein oder anderen mutigen Schlenker vorstellen kann. Ansonsten ist das alles schon recht brav und konventionell. Auch die Patisserie kann für mein Gefühl, vor allem auch im direkten Vergleich zum zweiten Dreisternehaus in Baiersbronn, die Erwartungen an ein Haus dieser Klasse nicht komplett erfüllen. Mir ist klar, dass dies Jammern auf hohem Niveau ist und den Gesamteindruck eines gelungenen Abends nicht schmälern soll. Und so schön Traditionen, wie zum Beispiel den Geburtstag jedes Jahr am selben Ort zu feiern, auch sind – vielleicht sollten wir beim nächsten Mal dann doch wieder zu einer anderen Jahreszeit kommen.
Details
Restaurant: | Schwarzwaldstube |
Adresse: | Tonbachstraße 237, 72270 Baiersbronn |
Öffnungszeiten: | Mittwoch - Freitag: 19:00 - 22:00 Uhr Samstag - Sonntag: 12:00 - 14:00 Uhr und 19:00 - 22:00 Uhr Montag + Dienstag: Ruhetag |
Website: | www.traube-tonbach.de/restaurants-bar/schwarzwaldstube/ |
Schlagworte
französisch, kreativ, moderne Klassik, Nina Mihilli, Schwarzwaldstube, Stéphane Gass, Torsten Michel, Traube-Tonbach
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